Riyadh Air „Wir werden die ganze Branche aufmischen“

Quelle: imago images

Vincent Coste, Vizechef der neu gegründeten Riyadh Air, will mit Start-up-Methoden den besten Service der Branche bieten und Saudi-Arabien zu einem Top-Reiseziel machen.

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WirtschaftsWoche: Herr Coste, Ihr Unternehmen Riyadh Air soll helfen, Saudi-Arabien zu einer Supermacht am Himmel zu machen. Dafür bekommen Sie Unmengen neuer Flugzeuge und als Basis jetzt auch den weltgrößten Flughafen. Dabei gibt es im Umkreis von gut 1000 Kilometern mindestens acht weitere Großflughäfen mit weltweit aktiven Airlines. Ist das nicht etwas sehr gewagt?
Vincent Coste: Unser Vorhaben ist nicht riskant, sondern im Gegenteil sehr realistisch. Der Markt ist groß genug für uns. Denn Saudi-Arabien wächst stark und hat viel zu wenig Flugverbindungen in den Rest der Welt. Dazu sind wir Teil der nationalen Luftverkehrsstrategie von Saudi-Arabien. Und deren Ziel ist, das Land zu einem wichtigen Reiseziel zu machen mit mindestens 330 Millionen Passagieren ab dem Jahr 2030, die im Land reisen oder es besuchen. Dazu sollen 4,5 Millionen Tonnen Fracht kommen.

Müssen Sie dieses Ziel nicht anpassen angesichts der ständig wachsenden politischen Spannungen im Mittleren Osten?
Wir erwarten, dass wir uns wie geplant entwickeln können, ohne einen Einfluss durch die geopolitische Situation. Denn die Anziehungskraft unserer Region ist sehr stark. Wir sehen nach wie vor mindestens 100 Ziele, die wir aus unserer Heimatbasis Riad profitabel anfliegen können. Und deshalb rechnen wir mit genug Kunden, um unsere Wachstumsvorgabe zu erreichen.

Wenn Sie Ihr Ziel erreichen, hätte Saudi-Arabien im Jahr 2030 in etwa dreimal so viel Passagiere wie heute und wäre als Flugmarkt wohl größer als Indien. Ihr Unternehmen, das ja erst ab 2025 fliegt, müsste in fünf Jahren so groß sein, wie Emirates aus Dubai nach gut 15 Jahren war. Das hat noch keiner in der Branche geschafft.
Es hatte ja auch noch keiner so gute Voraussetzungen wie wir (lacht). Unsere Entwicklung hat gleich drei Stützen: die Inlandsreisen, den Tourismus und das Wachstum der saudischen Wirtschaft insgesamt. Saudi-Arabien ist verglichen mit den anderen Staaten der Region ein großes Land mit 34 Millionen Einwohnern und Entfernungen, die für ein Eisenbahnnetz zu groß sind. Darum müssen die Menschen fliegen und es gibt mehr als zwei Dutzend Flughäfen. Der zweite Faktor sind Touristen, vor allem im gehobenen Segment.

Zur Person

Besuchen Saudi-Arabien nicht hauptsächlich eher bescheiden reisende Pilger zu den religiösen Stätten des Islam?
Bisher ja. Aber das wird sich ändern. Saudi-Arabien hatte im vergangenen Jahr bereits gut 50 Prozent mehr Besucher als vor der Coronakrise. Und das Wachstum geht weiter. Im Jahr 2030 soll der Tourismus zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen.

Das wäre eine Wertschöpfung von gut 130 Milliarden Dollar, halb so viel wie Italien im Tourismus umsetzt. Wo soll das herkommen?
Ich kann jetzt nicht für Saudi-Arabien insgesamt sprechen. Aber wir als Fluglinie erwarten zum einen viele Kulturtouristen für die sechs Orte des Weltkulturerbes, die jetzt endlich zugänglich sind. Allen voran die in der Bronzezeit gegründete Wüstenstadt Al-ula mit ihrer Mischung aus Geschichte, Kultur und Modernität. Oder auch das Hijaz-Gebirge, wo gerade im Norden am Roten Meer eine ganze Reihe luxuriöser Ferienhotels eröffnet. Das wird viele Badeurlauber anlocken, aus muslimischen Ländern, Indien, aber auch Besucher aus Europa und Nordamerika. Und schließlich kommt bald die futuristische Stadt Neom. Das alles werden Top-Ziele mit vielen Millionen Besuchern. Den unmittelbar größten Effekt hat jedoch für uns bei Riyadh Air der Geschäftsreiseverkehr.

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Wie das? Saudi-Arabiens Wirtschaft ist im vergangenen Jahr geschrumpft. Und selbst wenn die Wirtschaft wie geplant um knapp sechs Prozent pro Jahr wächst und der Flugverkehr doppelt so stark zulegt, ergibt das bis 2030 nicht mal eine Verdopplung, geschweige denn eine Verdreifachung.
Sie unterschätzen die Dynamik. Das Wachstum kommt zum einen aus unserem Heimatmarkt Riad. Der ist mit 8,5 Millionen Menschen nicht nur größer als die Vereinigten Arabischen Emirate. Riad wächst auch stärker als der Rest des Landes und hat das größte Wirtschaftswachstum von allen Metropolen der G20-Staaten. Dazu wachsen wir durch die vielen Kunden, die bisher nicht mit einer Linie aus Saudi-Arabien reisen konnten. Ich denke, gut die Hälfte aller Besucher aus Asien sind bislang über Doha, Dubai oder Istanbul angereist. Und aus Europa war der Anteil kaum geringer. Die können künftig alle nonstop mit uns fliegen.

Was sind denn Ihre ersten Flugziele?
Auch daran arbeiten wir noch. Und bevor Sie danach fragen: Deutschland ist eine Priorität für uns. Denn in Deutschland gibt es nicht nur viele Geschäftsreisende, sondern auch viele Touristen, die endlich die in der Vergangenheit schwer erreichbaren Kulturstätten besuchen wollen.

Rund zehn Prozent ihrer Kunden sollen Umsteiger sein, die auf der Reise zwischen Asien nach Europa oder Afrika in Riad umsteigen. Das wären in 2030 dann 33 Millionen Passagiere. Wie wollen Sie etablierten Linien wie Qatar Airways, Emirates oder Turkish Airlines so viele Kunden abjagen?
Wir sehen uns nicht wie andere Fluglinien in der Region als Mega-Connector für Umsteiger. Wir sind eine Linie, die ihr Heimatland mit der Welt verbindet. Darum werden wir nicht anderen Airlines Passagiere abjagen, wie sie das nennen, sondern die Kunden überzeugen. Denn wer nach Saudi-Arabien will, reist mit uns nonstop, schneller und mit einem besseren Service.

Was können Sie als Neuling besser machen als eine etablierte Fünf-Sterne-Linie wie Qatar Airways?
Das erfahren Sie, wenn wir bald die Einzelheiten unseres Service vorstellen. Wir werden die ganze Branche aufmischen, denn wir sind Digital Natives, also eine voll digitale Fluglinie der nächsten Generation. Weil wir quasi um die IT herum gebaut sind, können wir vieles automatisieren. Darum arbeiten wir nicht nur mit niedrigen Kosten, die wir im Ticketpreis weitergeben können.

Was bringt das den Passagieren?
Wir reagieren dadurch auch schneller und besser auf Kundenwünsche oder Unregelmäßigkeiten im Betrieb. Aus meiner Erfahrung bei anderen Airlines kann ich mit Blick auf unsere Systeme nur sagen: Das spüren Sie bereits bei der Buchung. Heutige Voll-Service-Fluglinien arbeiten anders als Billigflieger vor allem mit traditionellen Systemen, die den Kunden kein gutes Erlebnis bieten. Wer reisen will, braucht einen sechsstelligen Buchungscode oder die zwölfstellige Ticketnummer. Und die Serviceklassen werden durch die 26 Buchstaben des westlichen Alphabets bezeichnet. Das ist umständlich und beschränkt die Möglichkeiten für wirklich individuelle Angebote, wie sie die Kunden von Amazon oder Netflix kennen.

Und bei Ihnen?
Gibt es einen Einkaufswagen für alle Teile der Reise. Den können die Kunden nach Belieben befüllen, vom Einparkservice am Flughafen, über Loungebesuch oder den Bordservice bis zu Hotelübernachtungen. Alles können Sie ganz einfach zusammenstellen.

Kann ich bei Ihnen für meinen Flug auch Dinge vorbestellen wie Jahrgangschampagner oder ein Schweinefilet, die in Saudi-Arabien offiziell nicht zu haben sind?
An den Details für unseren Bordservice arbeiten wir noch und werden sie im Laufe des Jahres vorstellen. Darum kann ich nur sagen: als Fluglinie aus Saudi-Arabien halten wir uns an die Regeln des Königreichs. Aber ich kann Ihnen versichern: die Regeln entwickeln sich und sind in vielen Bereichen wie Frauenrechten bereits deutlich weniger streng als noch vor zwei Jahren.

Andere Airlines aus trockenen Ländern geben ihren Kunden am Flughafen auf Wunsch schon mal ein Päckchen mit Wein, Bier oder Cognac. Planen Sie ähnliches?
Derzeit nicht. Klar ist bisher nur, dass wir an Bord die ausgezeichnete arabische Gastfreundschaft bieten und ein ganz besonderes Design und Sitze mit Features, die keine andere Airline hat.

Ihr extremes Wachstum wird viel Geld kosten. Finanziert das der Staat mit unbegrenzten Subventionen?
Nein. Unser Wachstum finanziert natürlich unser Eigentümer, der staatliche Investmentfonds PIA. Aber der will eine profitable Beteiligung, keine Behörde, sondern ein Unternehmen. Darum arbeiten wir als Management unabhängig von der Politik und wir haben einen soliden Business-Plan, der nachhaltig Gewinn vorsieht.

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