Schweizer Solarhersteller Was hat Solar-Abwanderer Meyer Burger genau vor?

Meyer Burger will das Werk in Sachsen schließen. Quelle: imago images

Meyer Burger stellt im März seine Produktion in Freiberg in Sachsen ein – und setzt alles auf einen Neuanfang in den USA. Was bedeutet das im Detail?

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Das Schweizer Unternehmen Meyer Burger hat bereits Mitte Januar angekündigt, seine Modulfabrik in Freiberg in Sachsen zu schließen, wenn die Bundesregierung keine Subvention in Form eines so genannten „Resilienzbonus“ beschließt und in Gesetzesform durch das Parlament bringt. Das ist bislang nicht geschehen. Deshalb hat Meyer Burger verkündet, seine Modulfabrik im März zu schließen. Gleichzeitig hat das Unternehmen verkündet, wie es den Aufbau seiner Produktion in den USA finanzieren will. Was heißt das jeweils konkret?

Wem gehört Meyer Burger?

Der in Wien lebende russische Investor Pjotr Kondraschew hält über seine Investmentfirma Sentis Capital rund zehn Prozent der Aktien; der US-Investor BlackRock rund fünf Prozent. Die Aktien werden in der Schweiz gehandelt.

Welches Werk will Meyer Burger genau schließen?

Meyer Burger produziert in Deutschland Solarzellen in seinem Werk in Thalheim, einem Stadtteil von Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Dort arbeiten etwa 350 Beschäftigte. In Freiberg in Sachsen werden Module hergestellt, in Hohenstein-Ernstthal, ebenfalls in Sachsen, befinden sich Entwicklung und Anlagenbau. Etwa 500 Beschäftigte arbeiten in Freiberg. In dem Werk dort, das früher Solarworld gehörte, soll im März die Produktion eingestellt werden. Für die Mitarbeiter hat Meyer Burger Kurzarbeit beantragt. Gibt es keine Entscheidung zu Gunsten einer Subvention, wird das Werk im April geschlossen. Die Zellproduktion in Thalheim soll fortgesetzt werden, um mindestens bis 2025 Zellen in die USA zu liefern. Dort will Meyer Burger noch 2024 zwei Werke in Betrieb nehmen. Mindestens bis die Kapazität dort voll hochgefahren ist, soll das Werk in Thalheim dorthin liefern. Das Werk in Hohenstein-Ernstthal mit rund 300 Mitarbeitern ist nicht von den Schließungsplänen betroffen. Meyer-Burger-Chef Gunter Erfurt spricht davon, dass der Standort das „technologische Herz“ des Unternehmens sei.

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Meyer Burger: Wieso ist gerade die Werksschließung in Freiberg so brisant?

Für die deutsche Solarindustrie ist Freiberg ein symbolträchtiger Ort. Auch das Vorzeigeunternehmen der ersten Welle dieser Branche – Solarworld – hatte dort ein Werk. Vor drei Jahren hat Meyer Burger genau dieses Werk übernommen. Politisch brisant ist freilich auch, dass in Sachsen am 1. September gewählt wird, die AfD liegt dort in Umfragen bei etwa 35 Prozent. Eine Werkschließung im Erzgebirge, weitere Arbeitsplatzverluste in einer an sich zukunftsfähigen Industrie, könnten im Wahlkampf ausgeschlachtet werden.

Wie soll die Schließung in Freiberg genau laufen?

Im März will Meyer Burger die Produktion herunterfahren. Ab dem 1. April soll den Beschäftigten dort Kurzarbeit angeboten werden. Allerdings, so Erfurt am Freitag, gebe es die Kurzarbeitslösung nur, wenn bis zum 14. März feststehe, wie es in Europa weitergehen könne. Mit anderen Worten: Das ist die finale Deadline für die Ampelregierung in Berlin, wenn sie sich doch noch zu Subventionen in Form eines Resilienzbonus durchringen will. Zum Zeitpunkt der außerordentlichen Hauptversammlung am 18. März müsse Klarheit herrschen, so Erfurt. Am 14. März sollen die Zahlen des vergangenen Geschäftsjahres bekannt gegeben werden. Das Datum fällt zudem in eine Sitzungswoche des Bundestags.

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Welche Pläne hat Meyer Burger in den USA?

Die Hoffnung des Unternehmens sind die USA. In Colorado Springs im US-Bundesstaat Colorado soll eine Zellfabrik mit einer Kapazität von 2 Gigawatt entstehen, in Goodyear in Arizona eine Modulfabrik mit derselben Kapazität. Bereits im zweiten Quartal 2024 soll in Arizona mit der Produktion begonnen werden, Ende des Jahres 2024 soll die Zellproduktion in Arizona hochlaufen. Insgesamt sollen in den beiden Werken in den USA rund 850 Mitarbeiter beschäftigt werden. Es gibt bereits Abnahmeverträge, etwa mit den Projektierern Desri und der deutschen BayWa Re und der Ikea-Tochter INGKA. Nach Angaben von Meyer Burger haben diese Abnahmeverträge insgesamt ein Volumen von rund 5,4 Gigawatt. Erfurt versuchte am Freitag herauszustellen, dass in den USA definitiv ein erfolgversprechendes Umfeld für Meyer Burger herrsche. So gebe es dort zwar Modulhersteller, aber kaum Unternehmen, die sowohl Zellen als auch Module erzeugten.

Aber Meyer Burger hat doch erhebliche Verluste vermeldet. Woher soll das Geld kommen?

Stimmt. Die Folgen des drastischen Preisverfalls von Solarmodulen sind für Verbraucher gut, für Meyer Burger verheerend. Im Januar vermeldete Erfurt für 2023 einen Verlust (Ebitda) von 135 Millionen Euro bei 144 Millionen Euro Umsatz. Gleichzeitig gab er bekannt, dass es für den Schritt in die USA einen Finanzbedarf von rund 449 Millionen Euro gibt. Damit sollen die notwendigen Investitionen getätigt werden. Woher das Geld kommen soll, hat Meyer Burger nun noch einmal präzisiert. Der nächste Schritt ist eine Kapitalerhöhung. Mitte März soll eine außerordentliche Generalversammlung diesem Schritt beistimmen, der zwischen 200 und 250 Millionen Schweizer Franken einbringen soll, zwischen 210 und 263 Millionen Euro. Sentis Capital, der bisher größte Eigner, hat laute Meyer Burger bereits angekündigt, sich mit einer Summe von 50 Millionen Schweizer Franken (knapp 53 Millionen Euro), also rund einem Viertel, an der geplanten Kapitalerhöhung zu beteiligen.

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Kann bei Meyer Burger noch ein Investor einsteigen?

Meyer Burger sagte am Freitag, man verfolge weiterhin „potenzielle strategische Partnerschaften mit Unternehmen, die Kapital zur Verfügung stellen“. Das kann viel heißen, auch den Einstieg anderer Unternehmen, in Frage kommen theoretisch auch US-Unternehmen wie First Solar oder General Electric.

Neues Werk in den USA: Wie kann die Finanzierung gelingen?

Insgesamt umfasst der Finanzierungsplan vier Bausteine. Die Kapitalerhöhung ist einer davon. Der Rest soll mit mindestens zwei von drei weiteren Bausteinen kreditfinanziert werden. Ein zweiter Baustein ist eine Euler-Hermes-Exportkreditgarantie der Bundesregierung in Höhe von 95 Millionen Dollar. Hier geht es darum, den Export von Anlagen in die USA abzusichern. Der Kredit soll von einer Geschäftsbank gewährt, aber über die Hermesbürgschaft abgesichert werden. Die Zusage für diese Garantie liegt laut Meyer Burger – vorbehaltlich einiger Formalien – vor. Bei der amerikanischen Federal Financing Bank will Meyer Burger einen vom US-Energieministerium in Washington (Department of Energy) abgesicherten Kredit in Höhe von 200 bis 250 Millionen Dollar beantragen. Von der US-Regierung erhofft sich Meyer Burger Steuergutschriften („tax credits“) in Höhe von bis zu 300 Millionen Dollar. Die Summe, so hofft das Unternehmen, könne man zum Teil zuvor monetarisieren. Diese Finanzierungsvarianten stellte Erfurt am Freitag Analysten vor, bei den Verfahren in den USA befinde man sich in einer „fortgeschrittenen Phase.“

Also kommt der Schritt in die USA auf jeden Fall?

Ja. Erfurt sagte, es gehe nun darum, das „Ausbluten“ („Bleeding“) in Europa zu stoppen, um weitere Verluste einzudämmen. So versucht er, das Vertrauen des Kapitalmarkts zu erhalten. Die Meyer Burger Aktie war in den vergangenen Monaten abgestürzt, am Freitag fiel sei auf Werte um 8 Eurocent.

Die wollen aber auch in den USA auf Sicht fahren, oder?

Genau. „Bestimmtem Investitionen“ im Zusammenhang mit der dem Bau der Solarzellenfabrik in Colorado wolle man so lange nicht tätigen, so lange es „Unsicherheiten“ bezüglich der Finanzierung gebe.

Würde denn Trump an Bidens Baby, dem IRA, festhalten?

Erfurt gab sich optimistisch, dass die Bedingungen in den USA auch bei einem Regierungswechsel fortbestehen würden. Es sei „unwahrscheinlich“, dass sich die Ausgangssituation, was den Inflation Reduction Act, kurz IRA, beträfe, unter einer neuen Regierung maßgeblich ändern würden.

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Aber es gibt doch auch andere Stimmen in der Solarbranche, oder?

Enpal und 1Komma5° etwa. Die warnen, dass ein Resilienzbonus, also de facto eine Preisveränderung bei Modulen, zu Auftragseinbrüchen führen würde – und damit ebenfalls zu Arbeitsplatzverlusten in der Branche. Enpal warnt, dass das Unternehmen bestimmte Investitionen in Deutschland nicht tätigen würde. 1Komma5° hat angekündigt, den Branchenverband Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) zu verlassen. Das Unternehmen hat bereits vor einiger Zeit zugesagt, eine eigene Modulproduktion in Deutschland aufbauen zu wollen. Am Freitag verkündete 1Komma5° nun, die Modulfabrik von Meyer Burger übernehmen zu wollen, falls Meyer Burger diese schließen würde – eine völlig neue Volte in der Diskussion.

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