Windkraft Wie Chinas Subventions-Netzwerk funktioniert

Quelle: imago images

Dass China seine Windindustrie fördert, ist klar. Doch mit welchen Mitteln genau? Und wie viel Geld fließt? Eine Spurensuche in Grafiken.

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Die Besuche deutscher Kanzler in China folgen einigen festen Ritualen. Dazu zählen Fototermine vor überbordenden Blumenarrangements ebenso wie Besuche auf beeindruckenden Baustellen. Und ein Thema: Subventionen. So ist es auch im Jahr 2024. Als Olaf Scholz dieser Tage an der Tongji-Universität in Shanghai über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Europa und China spricht, macht er daraus ein Plädoyer für faire Wettbewerbsbedingungen – und gegen all jene Mittel, die China einsetzt, um diese Fairness auszuschalten.

Gebracht haben diese Mahnungen in der Vergangenheit nur wenig. Erst waren es Solarmodule, bei denen Chinas Konzerne mit staatlicher Hilfe die gesamte internationale Konkurrenz vom Markt verdrängte. Derzeit versuchen die Unternehmen Ähnliches bei E-Autos. Und die nächste Attacke zeichnet sich schon ab: Windkraftanlagen. Die Nachrichtenagentur Reuters hat zusammengetragen, wie groß Chinas Vorsprung hier bereits ist. Demnach verfügt China über die größten Produktionskapazitäten für Windturbinen, erhält weltweit die größten Aufträge, stellt im Vergleich zum Rest der Welt die meisten neuen Turbinenmodelle vor und baut die größten Offshore-Anlagen.

Die EU-Kommission hat nun mitgeteilt, dass sie Ermittlungen gegen chinesische Windanlagenbauer einleitet. Die Beamten aber dürften dabei vor dem gleichen Problem stehen, an dem schon so viele ihrer Vorgänger gescheitert sind: die Subventionen Chinas genau zu beziffern. Dass der Staat seine Unternehmen fördert, ist offensichtlich. Wie genau und in welcher Höhe das passiert, ist jedoch kaum zu ermitteln – was auch die Festlegung angemessener Gegenmaßnahmen nahezu unmöglich macht.

Um zumindest nachvollziehbar zu machen, wie verworren das chinesische Subventionsnetzwerk ist, hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) nun den Versuch gewagt, alle Fördermaßnahmen für die Windindustrie zu sammeln. Frank Bickenbach ist Co-Autor der Studie und China-Experte. Grundsätzlich zugänglich seien diese Daten schon länger, sagt er: „Ich würde aber vermuten, dass sie nur einem kleinen Kreis von Interessierten bekannt sind.“ Und so bietet sein Papier einen einmaligen Einblick in das komplexe Subventionsnetz Chinas.

„China verfügt über ein ziemlich ausgeklügeltes Instrumentarium zur Unterstützung von Unternehmen in Branchen, die es voranbringen will“, erklärte Jacob Gunter, Ökonom und China-Experte beim Mercator Institut for China Studies (Merics) kürzlich in einem Interview der WirtschaftsWoche. Die Subventionen der Regierung seien in ihrem Umfang nicht mit Europa vergleichbar, sondern auf einem ganz anderen Level.

China investiert weltweit am meisten in heimische Unternehmen

Welches Level genau, dem wollten Forscher des IfW sich mithilfe von Daten des Center for Strategic and International Studies (CSIS) nähern. Laut ihrem Bericht investierte China 2019 gemessen am prozentualen Bruttoinlandsprodukt etwa viermal so viel wie Deutschland in heimische Unternehmen. In absoluten Zahlen heißt das: China soll 2019 etwa 221,3 Milliarden Euro für Subventionen und Förderungen ausgegeben haben, Deutschland 14,3 Milliarden.



China setzt laut den Autoren über alle Branchen hinweg auf verschiedene Subventionsformen, vor allem auf vergünstigte Kredite für Unternehmen, direkte Subventionen und steuerliche Anreize. Das bestätigt auch China-Experte Jacob Gunter im Interview: „Chinesische Staatsbanken, manchmal auch lokale Regierungen und lokale staatliche Unternehmen, geben billige Kredite an die aufstrebenden Unternehmen.“

Wie China durch Subventionen die Windkraftindustrie fördert

Auch die direkten Subventionssummen für Windturbinenhersteller sind in den letzten Jahren gestiegen. Laut Jahresbericht erhielt der Windturbinenhersteller Migyang über 50 Millionen Euro und somit eine direkte Subvention von 1,2 Prozent des Umsatzes. 2019 waren es noch 10 Millionen und 0,8 Prozent des Umsatzes.

„Diese Zahlen sind mit großer Unsicherheit verbunden“, sagt Co-Autor Frank Bickenbach. „Viele Subventionsinstrumente sind indirekt, nicht konkret quantifizierbar oder auch schwer einzelnen Industrien oder Unternehmen zuzuordnen.“



Direkte Subventionen in börsennotierte Unternehmen sind einfacher zu quantifizieren und werden in deren Berichten aufgeführt. Aber nicht jedes Unternehmen ist börsennotiert und muss die staatlichen Subventionen offenlegen. Die Berichte erfassen die erwähnten indirekten und versteckten Fördermaßnahmen Chinas nicht. Abnahmegarantien und Einspeisetarife für Windenergie etwa sind weitere Instrumente, die der Windenergiebranche zugutekommen. Chinesische Windparks seien außerdem dazu angehalten, bis zu 70 Prozent nur in China hergestellte Anlagen zu kaufen. Das benachteiligt ausländische Bewerber.

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Dazu kommen diverse Bevorzugungen: Laut dem Papier des IfW werden chinesische Windkraftanlagenhersteller beim Kauf von Grundstücken und der Vergabe von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung bevorzugt und erhalten Rohstoffe, wie etwa seltene Erden, zu niedrigeren Preisen.

Dafür muss nicht einmal direkt Geld an die Zulieferer fließen. „Die Regierung kann teilweise einfach Staatsunternehmen veranlassen, Vorprodukte vergünstigt abzugeben“, erklärt Bickenbach. Die Preise der chinesischen Hersteller werden zusätzlich durch Subventionen für ihre Zulieferer gedrückt. Windturbinenhersteller gewinnen so beispielsweise ebenfalls durch Subventionen für Stahlhersteller. Die Vorteile davon genau zu beziffern, ist so gut wie unmöglich.

Chinesische Unternehmen bekommen nach diesen Daten direkte finanzielle Hilfe, mehr Aufträge, sowie günstigere Rohstoffe und Grundstücke. Wirtschaftsforscher Bickenbach vermutet dahinter eine Strategie der Regierung: „Nicht, dass alles vertuscht wird, aber natürlich werden alle möglichen Instrumente eingesetzt.“ Laut den Autoren sind die Zahlen eine sehr konservative Schätzung eines vermutlich weitaus größeren Ausmaßes.

Diverse staatliche Geldgeber fördern die Branche

Geld für Subventionen und Förderungen stammt nicht nur aus einer Quelle. „In China subventionieren durchaus auch Staatsunternehmen andere Unternehmen“, sagt Bickenbach, „das ist nicht immer der Regierung direkt zuzuordnen.“

Subventionen werden auch auf verschiedenen Verwaltungsebenen von der Zentralregierung bis hin zu den Provinzen bereitgestellt und zum Teil durch öffentliche Finanzinstitutionen vermittelt. „Wenn die zentrale Regierung bestimmte Subventionen in der Windindustrie zurückfährt, kann es sein, dass einzelne Provinzen, für die diese Industrie besonders wichtig sind, einfach dieses Subventionsinstrument ersetzen“, sagt Bickenbach.

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Die Summe der direkten Subventionen an börsennotierte Unternehmen in China sind laut dem Bericht des IfW seit 2015 stark gestiegen. Die Vermutung, dass China die Anzahl der Subventionsmaßnahmen in den letzten Jahren erhöht hat, sei aber nicht richtig. Laut Frank Bickenbach sind die chinesischen Subventionsmaßnahmen meist an die Produktion gekoppelt. „Die Industrie profitiert im Grunde von den jahrelang gezahlten Subventionen, hat Kapazitäten aufgebaut, hat Marktanteile gewonnen“, erklärt der Wirtschaftsforscher. „Die direkten Subventionen an die börsennotierten Unternehmen sind gemessen am BIP in den letzten Jahren relativ konstant.“

In Summe wachsen staatliche Hilfen für Unternehmen also mit der chinesischen Wirtschaft – ein selbstverstärkender Effekt.

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