Gießerei Siempelkamp „Die Stromsteuersenkung ist nur Blendwerk“

Energieintensive Betriebe wie Gießereien leiden besonders unter den hohen Strompreisen. Quelle: Getty Images

Mit Entsetzen reagieren die Geschäftsführer der Krefelder Gießerei Siempelkamp, Dirk Howe und Georg Geier, auf die Stromsteuersenkung. Angesichts der extrem gestiegenen Energiepreise fürchten sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit.

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WirtschaftsWoche: Herr Howe und Herr Dr. Geier, die Regierung hat eine radikale Senkung der Stromsteuer angekündigt. Sind Sie zufrieden?
Howe: Wir haben die Maßnahme mit Entsetzen wahrgenommen. Viele Politiker scheinen sich mit der Tiefe des Problems gar nicht befasst zu haben. Es handelt sich um ein Blendwerk, denn ein Großteil der Maßnahmen sind lange bekannt und eingeführt, werden aber hier erneut verkauft.

Warum, die Senkung der Steuer von 1,5 bis zwei Cent auf 0,05 Cent ist doch enorm.
Geier: Zwei Cent weniger sind nur dann gut, wenn man nicht weiß, wo der Strompreis liegt. Energieintensive Unternehmen zahlen mittlerweile bis zu 20 Cent je Kilowattstunde und mehr, Konsumenten etwa 40. Da sind zwei Cent je Kilowattstunde nicht viel angesichts der Verdreifachung der Strompreise in den letzten beiden Jahren. Bei Konsumenten käme mit einer solchen Entlastung damit sicher kein Familienurlaub heraus. Und wir als energieintensives Unternehmen müssen dazu für die Steuersenkung auch noch den Spitzensteuerausgleich, der in Zukunft wegfällt, eintauschen. Somit bleibt kaum etwas über von der angeblichen Steuersenkung.

Aber für 350 energieintensive Unternehmen bietet die Regierung doch weitere Vergünstigungen.
Howe: Da sind wir sogar dabei. Für das hochvolatile Jahr 2022 hätte das gesamte Maßnahmenpaket nachweislich weniger als zwei Prozent unserer Stromkosten reduziert. Der Preis dagegen ist in diesem Zeitraum um mehr als 200 Prozent gestiegen. Und um die kleine Vergünstigung zu erhalten, muss ich wahrscheinlich noch in bürokratischen Aufwand und Nachweispflichten investieren und Anträge stellen. Nach der Erfahrung der letzten Jahre bleiben dann nur weniger als 1,5 Prozent Ersparnis netto übrig. Das hilft uns so überhaupt nicht.

Zu Personen und Unternehmen

Sind die energieintensiven Unternehmen nicht schon reich bezuschusst worden in der Energiekrise?
Geier: Das könnte man denken – aber wir haben keine Unterstützung für die hohen Energiepreise bekommen. Das Energiekostendämpfungsprogramm war so konstruiert, dass eine Antragstellung für uns als mittelständisches Unternehmen nicht in Frage kam. Die Strompreisbremse ist so konstruiert, dass wir daraus auch keine Entlastung erfahren. Und die Mechanismen zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch die lokale CO2-Bepreisung in Deutschland und der EU – wie beispielsweise die Strompreiskompensation – sollte man jetzt nicht als Entlastung für Strompreissteigerungen darstellen. Dass da der Selbstbehalt gestrichen wird, bringt einen niedrigen fünfstelligen Einsparungsbetrag für uns. Das ist bei weitem nicht genug, um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Zu guter Letzt darf man auch nicht vergessen: Die gewährten Reduktionen sind nur für zwei Jahre fix und unterliegen danach dem Budgetvorbehalt. Das ist weit weg von den sicheren Rahmenbedingungen, die wir als Industrie für die Transformation benötigen.

Sie hatten einen Brückenstrompreis von sechs Cent gefordert und vorgeschlagen, diese über einen CfD – Contract for Difference – zu finanzieren.
Geier: Für energieintensive Unternehmen, wie unsere Gießerei, stellt diese Steuerentlastung gerade einmal eine Ersparnis weniger als einen halben Cent je Kilowattstunde zum Status-quo dar. Das bedeutet, dass wir weiterhin im Vergleich mit Ländern wie Spanien und Frankreich nicht wettbewerbsfähig sind, geschweige denn mit den USA und Asien. In Frankreich zahlen Industriekunden etwa zehn Cent pro Kilowattstunde weniger für Strom als hierzulande. Unser Modell eines CfD-basierten Industriestrompreises würde die Energiekosten effizient drücken, ohne Subventionen in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig würden in den Unternehmen die notwendigen Mittel freigemacht, in die erforderliche Dekarbonisierung zu investieren.

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Wie setzen sich Ihre Stromkosten zusammen?
Geier: Bis zu circa drei Viertel der Stromkosten in der energieintensiven Industrie sind der reine Energiepreis. Die Netzentgelte verschlingen typischerweise mindestens weitere 20 Prozent. Da bleiben nur noch wenige Prozente über, wenn der Strompreis nur über die Steuer und Umlagen gesenkt werden soll. Das fundamentale Problem in Deutschland sind unsere Energiepreise durch mangelndes Angebot. Das vollmundig angekündigte Osterpaket ist bis heute eher ein Rohrkrepierer. Umso mehr würden wir eine Strombrücke benötigen, die uns die Transformation ermöglicht.

Der Handelsblatt-Ökonom Bert Rürup sagt, dass es einer schöpferischen Zerstörung bedürfe, um die Transformation zur grünen Gesellschaft zu schaffen.
Howe: Es geht hier um die soziale Verantwortung für Arbeitsplätze. Was wir für einen Brückenstrompreis nicht ausgeben, wird uns bald durch steigende Sozialleistungen in Rechnung gestellt. Schon jetzt braucht Arbeitsminister Heil eine Sonderzahlung von 2,1 Milliarden Euro, um überplanmäßige Ausgaben für das Bürgergeld in diesem Jahr zu leisten. Dabei hat der Abschwung der Industrie gerade erst begonnen. Letztlich werden die Sozialleistungen teurer sein als das, was es braucht, um die Industrie in Deutschland zu halten.

Die Regierung pumpt 78 Milliarden Euro in die Steuersenkung, wenn man die Summen für die Senkung der Netzentgelte und den Wegfall der EEG-Umlage hinzuzählt. Das ist kein Pappenstiel.
Geier: Diese Ausgaben beziehen sich nicht auf die Industrie alleine. Die Regierung braucht dieses Geld, um die politischen Fehler der letzten beiden Jahre, aber auch der Vergangenheit zu kaschieren. Die Netzentgelte steigen dramatisch, weil aus politischem Kalkül statt auf Überlandleitungen auf Erdleitungen für den Netzausbau gesetzt wird. Das verursacht enorme Mehrkosten. Alleine für den zukünftigen Netzausbau werden hunderte Milliarden Euro benötigt, die auf alle umgelegt werden müssen. Wer soll das bezahlen, wenn die zahlungskräftigen Industrieverbraucher wegen zu hoher Energiekosten wegfallen?

Und die EEG-Umlage?
Geier: Die wurde jetzt ins Budget internalisiert und nicht mehr ausgewiesen. Aber sie verschwindet nicht. Die war eingeführt worden, um den Ausbau von Windkraft zu fördern. Damals sagte Minister Trittin, pro Familie mache das im Monat nur eine Kugel Eis aus. Die ehemals 0,25 Cent stiegen bis auf 7 Cent je Kilowattstunde an. Übrigens, haben alle schon die explosiven Übergewinne vergessen, die die Betreiber von erneuerbare Energieanlagen dank des Merit-Order-Prinzips im letzten Jahr erhielten. Von einer Abschöpfung durch eine Übergewinnsteuer ist keine Rede mehr. Diese Milliarden sind verschollen. Die Investitionen wurde über das EEG sozialisiert, die Gewinne privatisiert.

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