Deutscher Innovationspreis „Was jetzt passiert, ist größer als das Internet“

Jonas Andrulis Quelle: Marc-Steffen Unger

Jonas Andrulis erhält den Preis als Innovator des Jahres. Wie der Gründer des Start-ups AlephAlpha mit künstlicher Intelligenz die Welt verändern will.

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Jonas Andrulis müsste das Rampenlicht inzwischen gewohnt sein, und doch kommt es ihm immer noch etwas unwirklich vor. „Ich war immer ein Nerd in halbabgedunkelten Zimmern vor flackernden Bildschirmen“, scherzt der Gründer des Start-ups AlephaAlpha auf der Bühne des Münchener Damfdoms. Jetzt reißen sich Reporter, Manager, Staatschefs um den Mann, der als größter Shooting-Star Deutschlands im Bereich der künstlichen Intelligenz gilt. „Ja, das ist schon verrückt“, sagt Andrulis.

Vor hunderten Gästen nimmt Andrulis am Donnerstagabend im Münchener Dampfdom eine besondere Auszeichnung entgegen: Er wird als „Innovator of the year“ beim Deutschen Innovationspreis geehrt. Einmal im Jahr verleiht die WirtschaftsWoche gemeinsam mit den Partnern Accenture, EnBW und O2 Telefónica die hochkarätige Ehrung. Andrulis habe es früh geschafft, ein Hoffnungsträger zu werden dafür, dass Europa bei der Nutzung von KI eine Antwort findet, so Horst von Buttlar, Chefredakteur der WirtschaftsWoche, in seiner Laudatio.

Andrulis' Start-up AlephAlpha gilt als führender deutscher Anbieter bei generativer künstlichen Intelligenz, jener technologischen Entwicklung, die derzeit weltweit Unternehmen und Anleger in Ekstase versetzt. Das Sprachmodell Luminous der Heidelberger Gründer spielt Tests zufolge technologisch in einer ähnlichen Liga wie die KIs von OpenAI, Microsoft oder Meta. Es kann wie der Bot ChatGPT komplizierte Fragen beantworten, riesige Datenberge analysieren und soll zu einem Werkzeug werden, mit dem Industrie und Verwaltungen ihre Wissensarbeit produktiver und effizienter machen.

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„Eine fundamentale Umgestaltung aller Wertschöpfung“

Im November sorgte AlephAlpha mit einer Finanzierungsrunde über 500 Millionen Euro für Aufsehen – für Deutschland ist das eine Rekordsumme. Zu den führenden Investoren gehören namhafte Unternehmen wie Bosch, SAP, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Hewlett Packard. Insgesamt hat das KI-Start-up damit 640 Millionen Euro eingesammelt.

Andrulis hat mit diesem Geld große Pläne. „Was jetzt passiert, ist noch viel größer als das Internet“, sagt der Gründer. „Es ist eine fundamentale Umgestaltung aller Wertschöpfung, aller Wissensarbeit. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden die Zukunft entscheidend mitprägen. Dass wir mit unserem Team eine Chance haben, da positiv drauf einzuwirken, macht mich total stolz.“

Schon früh erkannte der Diplomwirtschaftsingenieur das Potenzial der künstlichen Intelligenz, beschäftigte sich im Studium am Karlsruher Institut für Technologie mit der Technik. Nach dem Abschluss gründete er zwei Start-ups – und verkaufte eines an Apple. Der iPhone-Hersteller holte Andrulis ins Silicon Valley in ein Spezialteam, das sich mit Machine-Learning-Technologien beschäftigte. 

„Ich hatte das Glück, bei Apple in der KI-Forschung in einer Spezialposition zu sein und da war ich umgeben von brillanten Menschen“, erzählt er. In dieser Zeit habe er Experimente gesehen, habe KI-Modelle kennen gelernt, wie sie heute etwa hinter ChatGPT stehen. „Ich hatte das Gefühl, hier kommt etwas Großes“, sagt Andrulis, „und wir unterschätzen diese Technologie.“ 

„Die wissen: Da müssen wir dominieren“

Doch bei Apple hielt es ihn nicht lange. Für ihn, erzählt Andrulis, sei Konzernmanagement „keine artgerechte Haltung“ gewesen. „Ich war relativ weit oben – zu weit oben, um Spaß zu haben. Ich hatte das Gefühl, ich bin den ganzen Tag damit beschäftigt, in Management-Meetings zu sein, da zu sitzen, keiner spricht offen mit mir.“

Nach drei Jahren in Cupertino kehrte Andrulis zurück nach Deutschland – und gründete in Heidelberg AlephAlpha, zusammen mit Samuel Weinbach, einem seiner ehemaligen Kollegen in der Unternehmensberatung Deloitte. Ihn trieb eine höhere Mission: „Mir liegt die Zukunft Europas am Herzen“, sagt er. „Die Vorstellung, dass unser Fundament, auf dem wir stehen, immer weiter bröckelt, und dass wir am Schluss irgendwann nur noch das Oktoberfest und das Heidelberger Schloss an US-Touristen verkaufen, finde ich schrecklich.“

Denn die Lage sieht für Europa nicht gut aus: Erst haben die großen US-Techkonzerne das Internet für sich erobert, jetzt ringen Sie mit allen Mitteln um die Vorherrschaft bei künstlicher Intelligenz. „Es geht um ein Thema, das bei den besten Unternehmen der Welt mit den tiefsten Taschen Platz eins auf der Prioritätenliste ist“, sagt Andrulis. „Die wissen: Da müssen wir dominieren.“

Die Techriesen sammeln derzeit mit aller Macht Start-ups und Talente ein: Microsoft hat den ChatGPT-Erfinder OpenAI mit zehn Milliarden Dollar überschüttet, Amazon steckte vier Milliarden in den Konkurrenten Anthropic, Apple wiederum hat gleich dutzende KI-Start-ups aufgekauft. Obendrein sichern sich die Billionenkonzerne teure KI-Hardware, die zurzeit schwer zu bekommen ist. Meta etwa hat laut Schätzung von Omdia Research im vergangenen Jahr 150.000 der Spezialchips H100 von Nvidia beschafft, von denen jeder mindestens 30.000 Dollar kostet. 

„Davon hat Microsoft überhaupt keine Ahnung“

Die Rechenleistung, gilt im Silicon Valley als eine der härtesten Währungen beim Kräftemessen der KI-Entwickler. AlephAlpha hat etwas mehr als 1000 Rechenchips in einem eigenen Rechenzentrum in Heidelberg gebündelt – zwei Dimensionen weniger als Meta. Doch Andrulis will sich nicht an diese Messlatte stellen. Es würden bei KI nicht unbedingt diejenigen Unternehmen führen, die nur immer mehr Rechenzentren aufbauten.

„Wir haben auch Sachen, die die US-Techkonzerne nicht haben“, sagt Andrulis. Das seien zum einen technologische Innovationen. „Wir sind das einzige Team, das die Ergebnisse von Generativer KI nachvollziehbar machen kann.“ Nutzer von KI könnten die Ergebnisse der KI prüfen, statt sich blind auf einen Chatbot zu verlassen. „Damit können wir den Menschen in eine ganz andere, starke Position bringen.“ 

Die KI aus Heidelberg kann anders als viele Konkurrenzsysteme auch Bilder analysieren. Und sie läuft auf Servern, die bei AlephAlpha stehen oder die die Kunden des Start-ups bestimmen. Behörden aus der Strafverfolgung oder Unternehmen aus der Medizinbranche wollten ihre Daten auf keinen Fall in einer Cloud in den USA speichern, sagt Andrulis.

Ein weiterer Vorteil sei in Deutschland die starke Expertise in Fertigung und Industrie. „Die Wertschöpfung der Zukunft entsteht zwar mit Technologie“, sagt Andrulis, „aber auch mit Fach- und Branchenwissen, und da haben wir Unternehmen, die der ganzen Welt voraus sind. Davon hat Microsoft überhaupt keine Ahnung“, sagt Andrulis. „Das werden die auch nicht so schnell lernen.“

„Für die großen Gewinne muss man mutig spielen“

Heute werde Generative KI gerne eingesetzt, „wenn du ein Gedicht zum Geburtstag deiner Oma brauchst“, sagt Andrulis. Doch Abos für eine KI-App wie ChatGPT – das sei kein funktionierendes Geschäftsmodell, allein wegen der riesigen Investitionen in Rechenkapazitäten, die dafür nötig seien. „Die anderen Firmen verlieren alle Geld, weil der Betrieb der Technologie so teuer ist.“

AlephAlpha konzentriert sich daher auf Projekte mit Industriekunden. „Wir begleiten ein paar der besten Unternehmen der Welt gerade dabei, sich für eine neue Ära aufzustellen.“ Zusammen wolle man mit KI die Wertschöpfung der Zukunft gestalten. Und das sei auch für AlephAlpha schon einträglich. Dieses Jahr habe das Start-up bereits zweistellige Millionenumsätze in den Büchern. „Wir sind das profitabelste Generative-AI-Unternehmen der Welt“, sagt Andrulis. „Das liegt daran, dass wir ein Business-Modell haben, das funktioniert.“

Das alles schafft das junge Unternehmen mit bisher nur 100 Mitarbeitern. Unter anderem habe er Mitarbeiter von Techkonzernen wie Palantir oder Google abwerben können, erzählt der Gründer.

Gegen Google und Co. anzukommen – „das wird natürlich hart“, sagt Andrulis. Aber: „Wenn es nicht die Chance gebe, wäre ich jetzt in Frührente und würde Schach spielen am Strand mit Freunden. Auch unsere Kunden sehen, dass es nicht zwangsläufig so sein muss, dass die Wertschöpfung dieser Transformation nur an Technologieunternehmen gehen muss.“

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Mit künstlicher Intelligenz werde jetzt riesiges Neuland geschaffen – und jedes Unternehmen müsse herausfinden, welchen Teil davon es mit seinen Stärken erobern könne. Deutschland sei stark darin, Innovationen zu finden, vom Mittelstand bis zu Forschungseinrichtungen. Bloß: „Wir zögern oft dabei, die großen Spiele zu spielen. Und für die großen Gewinne muss man mutig spielen.“ Um seine eigene Rolle in diesem Spiel weiß Andrulis durchaus. Ein Freund, erzählt er in München mit einem leichten Schmunzeln, habe zu ihm gesagt: „Eines haben wir schon mal erreicht: Wenn KI in Europa schiefgeht – dann wissen wenigstens alle, wer Schuld ist.“

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