Markenrecht Marken am Rande von Recht und Moral

Eine Mütze mit einer Nachbildung des Ausweises des verstorbenen kolumbianischen Drogenbosses Pablo Escobar wird an einem Souvenirstand in Medellin, Kolumbien, zum Verkauf angeboten. Quelle: REUTERS

Wer seine Marke interessant machen will, der muss etwas wagen. Doch selbst den Mutigsten steht nicht jede Tür offen. Wir haben nachgefragt, wo der Kreativität Grenzen gesetzt sind.

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Marken leben von ihrem Image, sei es bodenständig, anrüchig oder witzig. Manche erarbeiten sich ihr Image in jahrelanger Kleinarbeit oder mit viel Geld für Marketing. Glücklich ist dagegen, wer einen bereits bekannten Namen oder Slogan zu seiner Marke machen kann. In der EU ist ein solcher Abkürzungsversuch allerdings kürzlich gescheitert. Dahinter steckten die Erben des berüchtigten kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar.

Drogenhandel ist in den meisten Staaten der Welt ein Verbrechen. Doch das hält die illegale Industrie nicht davon ab, ihre eigenen Heldengeschichten zu erzählen. Und die müssen vermarktet werden. Das dachte sich zumindest die in Puerto Rico ansässige Firma „Escobar Inc.“, die ihren Namensgeber für die Vermarktung einer ganzen Reihe von Produkten eintragen lassen wollte.

Doch in Europa wird daraus wohl nichts: Nachdem bereits die europäische Behörde für geistiges Eigentum EUIPO abgewunken hatte, entschied nun auch der EU-Gerichtshof mit ähnlicher Begründung. Die Richter machen klar: „Der Name Pablo Escobar kann nicht als EU-Marke eingetragen werden.“ Der Name werde von der Öffentlichkeit mit Drogenhandel und Drogenterrorismus in Verbindung gebracht, da der 1949 geborene und 1993 verstorbene Kolumbianer als Gründer und Anführer des Medellín-Kartells gilt.

Moral und Mythologie

Für Ingo Jung, Fachanwalt für Markenrecht und Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Köln, steckt in dem Urteil jedoch mehr als nur der Verweis auf moralische Ausschlussgründe. Denn die Kläger hätten clever argumentiert und auf andere Verbrecher verwiesen, deren Namen markenrechtlich geschützt seien und deren kommerzielle Verwertung nicht in Frage gestellt werde: das Räuberpärchen Bonnie und Clyde, den Schmugglerkönig Al Capone oder den linken Revolutionär Che Guevara.

Allerdings zogen die Richter nach seinen Worten eine klare Grenze: Wenn ein Name „mythologisch aufgeladen“ sei, wie etwa die Legende von Robin Hood, dann sei er als Marke eintragungsfähig, aber wenn man einfach den Namen eines Verbrechers verwende, dann überschreite man eine Grenze. Ähnlich, so Jung, sei im Fall der Marke „La Mafia se sienta a la mesa“ (übersetzt: Die Mafia setzt sich zu Tisch) entschieden worden. Damals hieß es, der Teil „La Mafia“ überwiege und „werde weltweit als Hinweis auf eine kriminelle Organisation verstanden, die zur Ausführung ihrer Tätigkeiten unter anderem auf Einschüchterung, auf körperliche Gewalt und auf Mord zurückgreift.“

Die Macher des Kinohits „Fack ju Göthe“ konnten sich dagegen vor Gericht durchsetzen. Constantin Film konnte nach einem langen und intensiven Rechtsstreit nachweisen, dass hier nicht die Beleidigung im Vordergrund steht, sondern in dem speziellen Kontext die Ablehnung der Schule.

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Das EU-Gericht stützt sich in seiner aktuellen Entscheidung vor allem auf die Sitten, Gebräuche und Moralvorstellungen der Spanierinnen und Spanier. Diese seien „mit Pablo Escobar aufgrund der Verbindungen zwischen Spanien und Kolumbien am besten vertraut“. Dies sei, so Jung, ein übliches Vehikel, mit dem die Rechtsprechung vermeide, 27 Einzelgutachten einholen zu müssen. So sei im Fall der Mafia selbstverständlich die italienische, im Fall der angeblichen Beleidigung des Dichterfürsten Goethe die deutsche Sichtweise ausschlaggebend gewesen. Es reiche, „wenn ein nicht unmaßgeblicher Teil der Union von dieser Thematik beeinträchtigt wird“, so der Rechtsexperte.

Die Ablehnung auf EU-Ebene steht einer Eintragung der Marke auf nationaler Ebene, im Fall von Pablo Escobar also außerhalb Spaniens, jedoch nicht zwingend entgegen. Auf Anfrage stellt das deutsche Patent- und Markenamt in München fest: „Wir sind in Deutschland bei der Annahme einer sittenwidrigen Markenanmeldung eher zurückhaltend, aber bei Fällen massiv diskriminierender oder die Menschenwürde beeinträchtigender Anmeldungen, würden wir die Eintragung versagen.“ Gleiches gelte für verfassungsfeindliche Symbole.

Das klingt zumindest weniger endgültig als beim EUIPO. Doch auch in München hat die Behörde deutlich gemacht, wo die Grenzen liegen. So habe das Bundespatentgericht die Ablehnung des Begriffs „Massaker“ bestätigt. Das „Hinmorden einer großen Anzahl unschuldiger, wehrloser Menschen“ soll demnach nicht im geschäftlichen Wettbewerb verwendet werden.

von Rüdiger Kiani-Kreß, Jan Lutz, Nell Rubröder, Clara Thier

Von Kühen und Hasen

Abgesehen von diesen Extremfällen kennt das deutsche Markenrecht sowohl relative als auch absolute Eintragungshindernisse. Relativ bezieht sich, wie der Markenexperte erläutert, zum Beispiel auf die Ähnlichkeit mit einer bereits eingetragenen Marke. Dieser Begriff ist recht weit gefasst, es muss also nicht unbedingt die gleiche Schreibweise sein, es reicht, wenn es ähnlich klingt, ähnlich wirkt oder eine Verwechslungsgefahr besteht. Laut Jung gibt es aber Ausnahmen, nämlich dann, wenn die Unterscheidbarkeit klar erkennbar ist, wie zum Beispiel bei der Wortmarke „Focus“, hinter der sich in Deutschland sowohl eine Zeitschrift als auch ein Auto der Marke Ford verbirgt.

Absolute Schutzhindernisse nach deutschem Recht liegen dagegen beispielsweise vor, wenn die Marke nicht klar von anderen unterscheidbar ist, wenn Wörter eingetragen werden sollen, die nach Auffassung des Gesetzgebers zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören oder wenn eine Irreführung der Verbraucher angenommen wird. Auch Verstöße gegen die guten Sitten, die Verwendung von Hoheitszeichen oder Gütezeichen fallen in diese Kategorie.

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Als spannende Grenzfälle bezeichnet Jung solche, bei denen allgemeine Formen und Farben eine Rolle spielen. Marken wie Rocher, Duplo oder Lego hätten es dann schwer. Für Markenrechtler sei das spannend, weil es – im Falle einer Zulassung – einem Monopol gleichkäme. Aber keine Regel ohne Ausnahme, auch hierzulande. Milka habe es als einer der ersten geschafft, die Farbe Lila in Verbindung mit Schokolade schützen zu lassen. Dies sei auch dem Branchenkollegen Lindt gelungen, der den goldenen Farbton seiner Schokohasen eintragen lassen konnte.

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