In den sozialen Netzwerken kam es in der Nacht zum Samstag zu einem Rudelgucken der besonderen Art. Anhänger der Kryptowährung Bitcoin fluteten den Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) mit Beiträgen zu einem Event, für das manche wohl auf Schlaf verzichtet haben: das Halving.
In der Vergangenheit waren solche Halvings stets ein Startschuss für neue Kursgewinne. Optimisten erhoffen sich, dass der Bitcoin-Kurs deutlich über bisherige Rekordmarken springt – und dort bleibt. Zuletzt stand der Bitcoin unter Druck, unter anderem wegen Gewinnmitnahmen und der unsicheren Lage in Nahost. Am Samstagmorgen notierte der Bitcoin bei 64.000 Dollar. Die WirtschaftsWoche beantwortet die wichtigsten Fragen zum Bitcoin-Halving.
Was ist das Bitcoin-Halving?
Um das Bitcoin-Halving und dessen Bedeutung für den Kurs der Kryptowährung zu verstehen, muss man etwas in die Welt von Computernerds eintauchen. Neue Digitalmünzen werden „gemined“, also geschürft. Die Miner – also die Produzenten neuer Bitcoins – stellen die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um hochkomplexe mathematische Aufgaben zu lösen. Als Belohnung erhalten sie Bitcoins, den sogenannten Block Reward. Aktuell bekommen sie 6,25 Bitcoins für jeden Datenblock, den sie an die Blockchain hängen. Die Blockchain ist das digitale Datenprotokoll, in der alle Transaktionen mit der Kryptowährung gespeichert sind.
Zu festgelegten Zeitpunkten halbiert sich der Block Reward für die Miner, beim nächsten Mal auf nur noch 3,125 Digitalmünzen. Die Produzenten der Cyberwährung müssen also immer effizienter arbeiten, damit sich das Schürfen weiter rentiert. Ein Halving findet immer dann statt, wenn 210.000 Datenblöcke der Blockchhain hinzugefügt wurden. Das passiert etwa alle vier Jahre. Das inzwischen vierte Halving passierte in der Nacht zum Samstag (20. April).
Countdown zum Bitcoin Halving 2028
Voraussichtliches Halving-Datum: Uhr
Blockhöhe beim Halving:
Aktuelle Blockhöhe:
⌀ Blockzeit 2022/2023:
9,82 MinutenBlöcke bis zum Halving:
Welchen Sinn hat das Bitcoin-Halving?
Die Kryptowährung folgt mit den Halvings dem Drehbuch des geheimnisumwobenen Bitcoin-Erfinders Satoshi Nakamoto. Er hat diesen Mechanismus im Algorithmus der Kryptowährung festgelegt. Auch die maximale Anzahl an Bitcoins ist gedeckelt, nämlich auf 21 Millionen Münzen. Mehr wird es nie geben. Aktuell sind etwa 19,7 Millionen Coins im Umlauf. Erst ums Jahr 2140 herum werden alle Bitcoins geschürft sein.
Die Idee dahinter: Mit dem Bitcoin wollte Nakamoto eine Währung ohne Inflation kreieren. Damit unterscheidet sich die Kryptowährung von üblichen Währungen wie dem Dollar oder Euro. Während die Zentralbanken beliebig neues Geld drucken können und somit dessen Wert verwässern, ist die Digitalwährung von Anfang an klar limitiert. Aus Sicht von überzeugten Krypto-Fans ist der Bitcoin deshalb staatlichen Währungen überlegen. Vom Geldmonopol der Notenbanken EZB und Fed halten sie wenig.
Das Halving ist aber nicht nur für Krypto-Ideologen wichtig, sondern auch für Anleger, die mit den Assets Gewinne machen wollen. Denn: Der Vorgang verknappt künstlich das Bitcoin-Angebot. Bleibt die Nachfrage nach der Digitalwährung auf dem bisherigen Niveau oder zieht sie sogar an, hätte das steigende Kurse zur Folge. Das hat jüngst die Zulassung der neuen Bitcoin-ETFs demonstriert. Vor dem nun vierten Halving wurden täglich etwa 900 Bitcoins geschürft. Die Emittenten der Indexfonds haben an einigen Handelstagen aber mehrere Tausend Digitalmünzen aufgekauft. Die Folge: steigende Kurse.
Der Bitcoin-ETF im Detail
Viele Experten sehen darin einen Ritterschlag für den Bitcoin. Die Genehmigung habe eine große Signalwirkung erzeugt und werde für den Bitcoin deutlich mehr Professionalisierung schaffen, sagt Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance and Management. „Dies wird aber Monate dauern oder sogar noch länger. Der Bitcoin kommt nun langsam im Mainstream an; er wird hoffähig.“
Mit den neuen Finanzprodukten wird es für Investoren in den USA einfacher, in den Bitcoin zu investieren. ETF steht für „exchange-traded fund“ – übersetzt „börsengehandelter Fonds“. Mit ETFs wird normalerweise ein bestimmter Börsen-Index nachgebildet, etwa der MSCI World, in dem unter anderem die Aktien von Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Meta (Facebook) stecken. Die neuen Bitcoin-ETFs setzen nur auf ein Pferd, nämlich den Bitcoin und spiegeln nur die Kursentwicklung der Kryptowährung wider.
Anleger, die selbst Bitcoin kaufen, müssen sich entweder selbst um die Verwahrung in einer digitalen Brieftasche (Wallet) kümmern. Oder sie müssen Dienstleistern wie Coinbase oder Bitpanda vertrauen, die mit ihren Apps auch Online-Wallets anbieten. Bei den nun zugelassenen ETFs kaufen Fonds-Anbieter wie Blackrock ihre Bitcoin-Bestände auf eigene Rechnung ein. Die Anleger erhalten dann nicht die Bitcoins selbst, sondern ein Zertifikat, das den Anspruch darauf bescheinigt. Dafür verlangen die Finanzhäuser Gebühren. Bei Blackrock sind das 0,25 Prozent der Investitionssumme im Jahr.
Der Kurs schwankt sehr stark, und Prognosen für den weiteren Verlauf sind schwierig. Die Bedeutung der ETF-Zulassung kann man aber an dem Kurs der vergangenen Monate ablesen. Mitte Oktober, bevor Gerüchte über eine bevorstehende Zulassung kursierten, lag der Kurs bei rund 26.500 Dollar. Vor der SEC-Entscheidung stieg der Bitcoin auf knapp 48.000 Dollar.
Experten trauen dem Bitcoin zu, 2024 ein Rekordhoch von über 69.000 Dollar zu erreichen und halten auch Kurse von über 100.000 Dollar. Finanzexperte Sandner sagt: „Der Kurs dürfte sich dadurch positiv entwickeln, wenn nun das Investieren in Bitcoin unkomplizierter wird und auch die ersten großen institutionellen Investoren beginnen, sich für den Bitcoin zu interessieren.“ Sogenannte HODL-Investoren, die ihre Kryptobestände halten, egal wie hoch oder niedrig die Preise sind, spekulieren sogar auf ein Überschreiten der Schwelle von einer Million Dollar. Auf der anderen Seite gibt es warnende Stimmen, etwa die deutsche Verbraucherzentrale. Bitcoins seien aufgrund der Risiken – von starken Kursschwankungen bis zum Totalverlust – als Geldanlage nicht zu empfehlen, erklärten die Verbraucherschützer im November.
Nein, solche „One-Trick-Ponys“ widersprechen den Regularien in Deutschland. Deshalb gibt es in der Bundesrepublik im Gegensatz zu den USA auch keine ETFs, die sich ausschließlich am Goldpreis orientieren. Wer virtuell in Gold investieren möchte, muss in Deutschland auf ETCs ausweichen. ETC steht für exchange-traded commodities („börsengehandelte Rohstoffe“). Sie funktionieren ähnlich wie ETFs: Sie können ebenfalls direkt an der Börse gehandelt werden und bilden den Goldpreis annähernd nach. Rechtlich gesehen sind ETCs aber unbefristete Schuldverschreibungen und keine Investmentfonds. Ähnliche Angebote gib es in Deutschland für den Bitcoin. Das sind dann sogenannte ETPs (exchange-traded products) oder ETNs (exchange-traded notes), die den Bitcoin ebenfalls abbilden.
Etliche Krypto-Anleger rechnen durch den Einstieg der traditionellen Finanzwirtschaft in den Bitcoin-Markt mit einer erhöhten Nachfrage nach Bitcoin. Das würde zwangsläufig zu einer Kurssteigerung führen, weil die Gesamtzahl der Bitcoins auf 21 Millionen begrenzt ist. Kritiker sehen den Einstieg dagegen skeptisch, auch weil der Bitcoin einst als Gegenreaktion auf die Finanzkrise entstand, für die traditionelle Geldhäuser verantwortlich waren. Der unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto agierende Bitcoin-Gründer wollte mit seinem Gegenentwurf vermeiden, dass Banken und Vermögensverwalter am Wertaufbau mitverdienen. Bitcoin-Experte Sandner zieht die Grenzen nicht so eng: „Der Bitcoin und die Idee dahinter ändert sich nicht. Es gibt ab nun aber weitere Möglichkeiten, in ihn zu investieren. Der Bereich professionalisiert sich.“
Wie wirkt sich das Halving auf den Bitcoin-Kurs aus?
Der Bitcoin blickt bislang auf eine überschaubare Historie zurück. Erst vor 15 Jahren wurde mit ihm eine neue Anlageklasse geschaffen. Vier Halvings hat die Kryptowährung seitdem hinter sich gebracht und bislang folgte auf das Ereignis immer eine Kursexplosion.
Bis zum ersten Halving im Jahr 2012 hatte sich der Bitcoin-Kurs um mehr als 3000 Prozent gesteigert. Daraufhin folgte eine astronomische Kurssteigerung von gut 25.800 Prozent bis zur nächsten Halbierung vier Jahre später. Im Zeitraum zwischen dem zweiten und dritten Halving im Coronajahr 2020 verteuerte sich der Bitcoin um etwa 1200 Prozent. Seither ist der Kurs um ungefähr 700 Prozent gestiegen – und das, obwohl die Digitalwährung wegen der Zinswende, dem Kollaps der einst drittgrößten Kryptobörse FTX und diverser anderer Skandale zwischenzeitlich in eine tiefe Vertrauenskrise gerutscht war.
Wer allerdings auch nach unmittelbar dem vierten Halving deutlich steigende Kurse erwartet, könnte enttäuscht werden. Und zwar nicht nur in dem Fall, dass die mit dem Halving verbundenen Kursgewinne bereits eingepreist sind und der Bitcoin-Kurs nach dem 20. April doch nicht positiv reagieren wird. Das Frankfurter Investmenthaus ETC Group hat analysiert, wann in der Vergangenheit ein Kursunterschied messbar war und zu welchem Zeitpunkt er am größten ausfiel.
Das Ergebnis: Erst nach 100 Tagen schlägt das Halving auf den Bitcoin-Preis durch, „da sich das durch die Halvings selbst verursachte Angebotsdefizit nur allmählich ausweitet“, sagt André Dragosch, der das Research-Team der BTC Group leitet. Am größten ist der Performanceeffekt demnach in der Regel 400 Tage nach dem Halving. Dragoschs Resümee: „Wir schließen daraus, dass es höchstwahrscheinlich noch nicht eingepreist ist.“ Oder anders gesagt: Er glaubt an weiter steigende Kurse. Eine Garantie gibt es natürlich nicht. Nur weil die Kurse in der Vergangenheit immer gestiegen sind, bedeutet das noch lange keine Fortsetzung des Trends.
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Sollten Anleger jetzt noch in Bitcoin investieren?
Für viele Anleger sind die satten Kursgewinne der vergangenen Monate verlockend. Zuletzt ist immer mehr Geld in den Sektor geflossen. Sentimentanalysen wie die der Analyseplattform Alternativ.me bescheinigen dem Markt gerade „absolute Gier“. Und Gier kann manchmal blind machen: Wer auf dem letzten Höhepunkt im Jahr 2021 auf den Bitcoin-Hype aufgesprungen war, stand zwischenzeitlich mit einem Minus von gut 70 Prozent da. Erst jetzt hätte der Anleger seinen Verlust wieder wettgemacht.
Ob Anleger in den Bitcoin investieren sollten, ist erst einmal eine Typfrage. Kritiker wie Investorenlegende Warren Buffett bemängeln, dass die Kryptowährung wertlos sei. Sie schüttet keine laufenden Erträge wie Dividenden und Zinsen aus. Kursgewinne gibt es nur, wenn ein anderer Anleger mehr für die Münzen zu zahlen bereit ist.
Es gibt auch keine realwirtschaftlichen Fundamentaldaten, anhand derer man die Digitalwährung bewerten könnte. Letztlich lebt der Bitcoin vom Vertrauen, das ihm Anleger entgegenbringen. Und darüber hinaus schwankt der Bitcoin-Kurs mitunter extrem. Den Nervenkitzel einer Krypto-Position im Portfolio muss man aushalten können.
Wem eine Einmalanlage in den Bitcoin zu riskant ist, könnte in Sparplänen eine Alternative finden. Dabei investieren Anleger regelmäßig – zum Beispiel einmal im Monat – in die Kryptowährung. Wie auch bei börsengehandelten Indexfonds (ETFs) haben sie den Vorteil, dass Anleger sich weniger Gedanken um den richtigen Einstiegszeitpunkt machen müssen. Mal kaufen sie zu hohen Kursen, mal zu niedrigen. Daraus ergibt sich ein Durchschnittskosteneffekt (Cost-Average-Effekt).
Solche Sparpläne bieten vor allem spezielle Kryptobörsen wie Coinbase, aber auch Neobroker wie Trade Republic an. Auch bei klassischen Anbietern wie der Consorsbank oder der ING ist das möglich, allerdings können Anleger hier keine Kryptowährung direkt kaufen, sondern müssen auf spezielle Zertifikate ausweichen.
Was Bitcoin-Sparpläne bringen, zeigt eine Beispielrechnung: Angenommen, ein Anleger legt jeden Monat 300 Euro am Kapitalmarkt an und will davon fünf Prozent beziehungsweise 15 Euro monatlich in die Kryptowährung investieren. Seit Anfang 2021 hätte er 600 Euro eingesetzt und ein Plus von 755 Euro oder 125 Prozent eingefahren, trotz aller Kurskapriolen. Hätte er die 600 Euro als Einmalinvestition direkt angelegt, läge seine Rendite mit gut 150 Prozent zwar etwas höher. Den ruhigeren Schlaf hatte aber garantiert der Sparplan-Anleger.
Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 9. April. Wir haben ihn aktualisiert und zeigen ihn erneut.
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