Bundesbank-Bericht So ungleich ist Vermögen in Deutschland verteilt

Die reichsten zehn Prozent besitzen derzeit über 60 Prozent des gesamten Nettovermögens. Quelle: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbi

Erst entspannte die Corona-Pandemie die Lage, jetzt wird die Kluft zwischen Arm und Reich wieder größer. Wie groß die Ungleichheit beim Vermögen hierzulande ist, zeigt auch der europäische Vergleich.

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Aus 54.000 mach 103.000 Euro. Der Median, also die Mitte der Nettovermögensverteilung, hat sich in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Zugelegt hat laut einem Bundesbank-Bericht vor allem die vermögensärmere Hälfte der Bevölkerung – wenn auch von einem vergleichsweise äußerst geringen Niveau aus. Im Vergleich zu den reichsten zehn Prozent ist der Anteil der ärmeren 50 Prozent am gesamten Nettovermögen aller Haushalte in Deutschland zehn Prozent stärker gewachsen.

Derlei Daten zum Vermögen der Haushalte und wie sich dieses entwickelt, erhebt die Bundesbank seit 2009. Mit der dazu berechneten verteilungsbasierten Vermögensbilanz in Deutschland existiert ein neuer Datensatz, der es ermöglicht, das Vermögen einzelner Haushalte quartalsweise zu untersuchen. Die Statistik verknüpft dafür Einzeldaten der eigenen Bundesbank-Haushaltsbefragung mit gesamtwirtschaftlichen Statistiken.

Die Ergebnisse dieser Bilanz zeigen, wie unterschiedlich sich die Ersparnisse der Deutschen zusammensetzen. Während ärmere Haushalte vor allem auf risikoarme Anlageformen wie Einlagen und Versicherungsansprüche setzen, sind es bei den reicheren Deutschen hingegen vor allem Vermögen aus Kapitalmarktinstrumenten wie Aktien, Immobilien oder Betriebsvermögen.

Mehr Nettovermögen, aber kleinere Wachstumsrate

Die vergangenen Jahre zeigte sich laut den Experten angesichts der Vermögensungleichheit in Deutschland eine Entspannung. Auch wegen der Pandemie. 2014 sei die Ungleichheit noch besonders stark ausgeprägt gewesen. Die Ungleichheit sei vor allem wegen Nachholeffekten im Zuge der nach der Corona-Hochphase wiederkehrenden Konsummöglichkeiten gesunken.



Zwar hat sich das Nettovermögen über die Erhebung hinweg beinahe verdoppelt; seit Ende 2021 sehen die Experten allerdings auch, dass die Wachstumsraten über alle Vermögensgruppen hinweg stark rückläufig sind – vor allem bei der vermögensärmeren Hälfte der Bevölkerung. Die Bundesbank führt das unter anderem darauf zurück, dass wegen Bewertungsänderungen die Versicherungsansprüche kräftig zurückgegangen sind. Außerdem sei ein sinkendes Immobilienvermögen, ein phasenweiser Rückgang der Bestände von börsennotierten Aktien sowie Investmentfondsanteilen dafür verantwortlich.



Damit ist seit Ende 2022 der Anteil der vermögensärmeren Haushalte am Nettogesamtvermögen wieder leicht gesunken – und die Ungleichheit damit wieder gestiegen. Laut der Bundesbank muss dieser Anstieg der Ungleichheit aber „vor dem Hintergrund der jüngst hohen Inflationsraten, der damit verbundenen geldpolitische Straffung sowie des verhaltenen Wirtschaftswachstums gesehen werden“. So besitzen die obersten zehn Prozent der Deutschen derzeit ungefähr 61 Prozent des gesamten Nettovermögens. Die unter Hälfte wiederum noch ungefähr 2,3 Prozent.



Ungleichheit: Deutschland im Euroraum-Ranking weit oben

Wie gleich Vermögen verteilt ist, lässt sich anhand des Gini-Koeffizienten ablesen, einem statistischen Maß. Zur Einordnung: Ein Gini-Wert von 0 Prozent bedeutet, dass alle über das gleiche Einkommen verfügen, bei 100 Prozent besitzt ein Bürger alles. So viel zur Theorie. In der Praxis liegen alle dazwischen – und Deutschland derzeit an der Spitze.



Die Gini-Koeffizienten der europäischen Mitgliedsstaaten bewegen sich laut der Bundesbank zwischen 56 und 77 Prozent. Deutschland liegt mit 77 Prozent auf Platz ein, gefolgt von Lettland und Finnland. Der Durchschnitt in der Eurozone liegt bei 71,5 Prozent. Eher gleich verteilt sind die Vermögen laut der Berechnung vor allem in der Slowakei, Malta und Zypern.

Bei diesem Ländervergleich ist laut der Bundesbank aber zu beachten, dass das Konzept der verteilungsbasierten Vermögensbilanz die gesetzlichen Alterssicherungssysteme nicht berücksichtigt, also etwa die Renten. Wenn dem so wäre, würde eine entsprechende Berechnung für Deutschland laut den Experten zeigen, dass die Vermögensungleichheit deutlich geringer ausfalle.

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Denn der Gini-Koeffizient bewertet nur, wie gleich oder ungleich eindeutig zu erfassende und veräußerbare private Vermögen verteilt sind, also etwa Finanzvermögen und Immobilienbesitz. Er berücksichtigt nicht, inwiefern staatliche Vorsorge die individuelle Vermögensbildung ersetzt. Aber: In einem Sozialstaat wie Deutschland sinkt die Notwendigkeit grundsätzlich, sich privat abzusichern beziehungsweise ein privates Vermögen aufzubauen. Außerdem bedeutet ein ausgeprägtes Sozialsystem wie in Deutschland, dass die Bürger dafür Beiträge zahlen, etwa für die Rentenkasse. Das verringert den Spielraum, zusätzlich für das Alter vorzusorgen.

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