Anschlag auf Tesla-Gelände Grünheide „Saubere E-Autos sind eine dreckige Lüge“

Das Protest-Camp der Initiative „Tesla Stoppen“ in Grünheide. Nur wenige hundert Meter weiter steht die Gigafactory von Tesla. Quelle: Malte Steinmüller

Zu dem mutmaßlichen Anschlag auf das Tesla-Werk in Grünheide hat sich eine linksextreme Gruppe bekannt. Was aber denken andere Aktivisten, die nahe der Fabrik einen Wald besetzt halten, über die Attacke? Ein Besuch.

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Normalerweise bildet das Gelände der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin eine Kleinstadt für sich. 12.000 Menschen arbeiten dort, die Fabrik hat sogar einen eigenen Bahn-Anschluss. Am Dienstag aber wirkt nichts normal, kaum jemand ist zu sehen. Nur einige wenige verbliebene Arbeiterinnen und Arbeiter warten auf Shuttlebusse, um das Areal zu verlassen. „Es war ein ereignisreicher Tag. Ich denke, mehr sage ich jetzt mal nicht dazu“, kommentiert eine Tesla-Mitarbeiterin.

Ereignisreich ist eine ziemliche Untertreibung, denn das Tesla-Gelände wurde am frühen Dienstagmorgen evakuiert. Um viertel nach fünf war laut der Polizei ein Anruf über einen brennenden Strommast im zehn Kilometer entfernten Gosen-Neu Zittau eingegangen. Seitdem stehen in der Gigafactory alle Bänder still, Stromausfall. Später wird Tesla bekanntgeben, dass die Arbeiten wohl eine ganze Woche ruhen müssen, weil die Energieversorgung fehlt. Die Polizei ermittelt wegen eines möglichen Brandanschlags. Den wirtschaftlichen Schaden beziffert Werkleiter Andre Thierig auf einen neunstelligen Euro-Betrag – eine gewaltige Summe.

Mittlerweile hat sich die als linksextremistisch eingestufte Gruppe „Vulkangruppe Tesla abschalten“ per Internet-Schreiben bekannt, den Sabotage-Akt auf das Tesla-Werk verübt zu haben. „Tesla in Grünau frisst Erde, Ressourcen, Menschen, Arbeitskraft und spuckt dafür 6000 SUVs, Killermaschinen und Monstertrucks pro Woche aus“, steht in einem anonymen Text der Gruppe. Dieser wird von der Polizei derzeit jedoch noch auf Echtheit geprüft.

Die Aufmerksamkeit und den Zorn von Elon Musk haben sie sich jedenfalls bereits erarbeitet: „Das sind entweder die dümmsten Ökoterroristen der Welt oder sie sind Marionetten derer, die keine guten Umweltziele haben“, schrieb der Tesla-Gründer auf dem Portal X (früher Twitter) dazu. „Die Produktion von Elektrofahrzeugen anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoffen zu stoppen, ist extrem dumm.“

„Wir wissen nicht mehr als alle anderen“

Widerstand und Kritik begleitet den E-Autobauer und seinen exzentrischen Chef in Deutschland, seit die ersten Pläne bekannt wurden. Ebenso vehement war die Unterstützung der Politik, von der Bundesregierung über das Land Brandenburg bis zur Kommune. Grünheide wurde zum Symbol – für die einen dafür, dass am Standort Deutschland noch was ging. Für die anderen, dass Wachstum über allem steht, auch über dem Naturschutz.

Der Stromanschlag ist die bis dato schärfste Attacke auf Tesla hierzulande. Doch Protestler gibt es noch einige mehr. Um einige von ihnen zu treffen, muss man nur wenige hundert Meter von der Gigafactory entfernt suchen, mitten im Wald. In einem Stück des Nadelwaldes hängen überall Baumhäuser und bilden ein improvisiertes Dorf. Manche sind aufwändig mit Fenstern und Holzdach gebaut. Andere haben lediglich eine Plane als Abdeckung über einem grob zusammengebundenen Gerüst aus Stämmen. An einer Baumhaus-Wand steht „Heute die Katastrophe von Morgen verhindern.“ Auf dem Waldboden stehen weitläufig Zelte verteilt. Im Eingang des Camps hängen Plakate an Seilen, die zwischen einem Hochsitz und Bäumen gespannt sind.

„Das hier ist unsere Ausstellung zum Thema Lithium. Ein Material, dass in den Batterien von Tesla verbaut wird“, erklärt Lotte Nymann. Sie ist Pressesprecherin der Initiative „Tesla Stoppen“, die hier campiert. Über den mutmaßlichen Brandanschlag hat sie allerdings auch erst aus der Presse erfahren. „Wir wissen nicht mehr darüber als alle anderen und können uns dazu entsprechend auch gar nicht äußern“, erklärt sie. Trotzdem sind auch sie gegen die Erweiterung des Tesla-Werks.

Außer Nymann sind hier noch rund 80 weitere Aktivisten. Viele davon verdecken ihr Gesicht mit Tüchern oder Sturmhauben. Obwohl am Morgen wegen des mutmaßlichen Brandanschlags ein Hubschrauber über das Camp flog, ist die Stimmung ruhig. Laut ist nur ein Hammer im Hintergrund, denn einige der Aktivisten arbeiten an weiteren Baumhäusern. Seit einer Woche sind sie schon hier. „Wir haben uns hier eingerichtet, um so lange zu bleiben, wie es nötig ist“, fährt die 20-jährige Studentin fort.

Darf Tesla noch größer werden?

Der Grund für das Protest-Camp ist ein Bürgervotum aus Grünheide, bei dem die Einwohner der Brandenburger Gemeinde zu fast zwei Dritteln gegen eine Erweiterung der Tesla-Fabrik stimmten. Tesla will neben dem 300 Hektar großen bestehenden Werksgelände auf zusätzlichen rund 170 Hektar einen Güterbahnhof, Lagerhallen und einen Betriebskindergarten errichten. Dafür sollen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. Nach dem Votum besetzten die Umweltaktivisten von „Tesla stoppen“ das Waldstück nahe der Autofabrik, um gegen die Werkserweiterung zu protestieren.

Lotte Nymann ist Pressesprecherin der Initiative

„Wir fordern von Berlin und Brandenburg sowie der Gemeinde Grünheide, sich dagegen zu entscheiden, das Land an Tesla zu verkaufen“, erläutert Nymann, da die Firma das Grundwasser verschmutze und der kostbare Rohstoff im ohnehin wasserarmen Brandenburg so noch knapper werde. „Außerdem sind wir der Meinung, dass saubere E-Autos eine dreckige Lüge sind. Wir brauchen Mobilität, die für alle zugänglich ist, statt Luxusschlitten für einzelne Personen“, fügt sie hinzu.

Dass Deutschland als „industriefeindlich“ gelten könnte, weil wegen lokaler Probleme immer wieder gegen große Firmen demonstriert wird, sieht Nymann nicht. „Das ist völliger Schwachsinn. Dagegen spricht, wie reich Deutschland ist, wie viele Emissionen hier ausgestoßen werden und wie viel Deutschland produziert“, meint sie.

Für den Fall, dass sich in Grünheide gegen eine Erweiterung des Tesla-Werks gestellt werden sollte, erhofft sich Italien inzwischen eine Ansiedelung des US-Konzerns, wie der italienische Wirtschaftsminister Adolfo Urso vergangene Woche im Industrieausschuss der Abgeordnetenkammer in Rom verlauten ließ. Das in einem solchen Fall möglicherweise nicht mehr für eine saubere Umwelt gewonnen wäre, sieht Nymann allerdings nicht. „In jedem Land sollte eine solche Fabrik verhindert werden. In den Tesla-Fabriken auf der ganzen Welt herrschen miserable Arbeitsbedingungen – und Tesla zerstört auf der ganzen Welt die Natur.“

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Nymann und die Initiative „Tesla Stoppen“ wollen weiter protestieren. „Wenn dafür gestimmt werden würde, dass Tesla dieses Waldstück bebauen darf, werden wir hier so lange bleiben, bis wir mit Gewalt raus gezerrt werden.“

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