Sieg der US-Autogewerkschaft bei VW „Es kann sein, dass Deutschland im Vergleich weniger schlecht dasteht“

Vicky Holloway, Mitarbeiterin des VW-Werks in Chattanooga, wird emotional, nachdem die Beschäftigten für den Beitritt zur UAW-Gewerkschaft gestimmt haben. Quelle: AP

Die Autogewerkschaft UAW vertritt künftig die Mitarbeiter im US-Werk von VW. Das hat tiefgreifende Folgen für die Angestellten, die Autobranche und die Wirtschaft, sagt ZEW-Ökonom und USA-Experte Nicolas Ziebarth.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Herr Professor Ziebarth, die Beschäftigten der US-Fabrik von Volkswagen in Chattanooga werden künftig von der Autogewerkschaft UAW vertreten. Wie wichtig ist diese Entscheidung der Mitarbeiter?  
Nicolas Ziebarth: In USA werden nur noch gut zehn Prozent der Angestellten von einer Gewerkschaft vertreten. Dieser Anteil sinkt seit Jahrzehnten. Dass die Mitarbeiter im VW-Werk in Tennessee, das im eher gewerkschaftsskeptischen Süden der USA liegt, nun den entgegengesetzten Weg gehen, ist sehr bemerkenswert. In USA sehen das viele Experten als größte Errungenschaft der Arbeitnehmerbewegung seit Jahren. 

Geht es nach der Autogewerkschaft, dann war das nur der erste Streich. Im Mai will sie das Mercedes-Werk im benachbarten Alabama erobern und dann alle Autowerke im Süden der USA. Ist das realistisch? 
Ich halte das durchaus für möglich. Die Gewerkschaft hat gerade einen Lauf. Sie hat bei den amerikanischen Autoherstellern GM, Ford und Chrysler 25 Prozent Lohnsteigerungen durchgesetzt und wird deshalb von den Mitarbeitern der Branche positiv gesehen. Weil die Arbeitslosigkeit in USA so niedrig ist, wirkt die vor allem von den Republikanern und von manchen Unternehmen geschürte Angst, dass Lohnsteigerungen zum Abbau von Arbeitsplätzen führen, weniger. Die Mitarbeiter haben nach Corona gemerkt, dass sie mehr Macht haben, als sie dachten, dass sie durchaus begehrt sind. Die USA könnten deshalb vor einer Renaissance der Gewerkschaften stehen. 

Zur Person

Was bedeutet das für die Arbeitnehmer?
In den USA gibt nur sehr begrenzte Rechte auf soziale Leistungen wie bezahlten Urlaub, Elternzeit oder Lohnfortzahlung bei Krankheit. In den südlichen Bundesstaaten gibt es solche Rechte meist gar nicht. Ich bin mir sicher, dass die UAW nun solche Rechte und auch höhere Löhne in den Werken durchsetzen kann, wo in denen sie die Mitarbeiter vertritt. Die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass sich die Arbeitsbedingungen überall dort verbessern, wo wir eine gewerkschaftliche Organisierung haben. 

Der Süden der USA ist weltweit einer der attraktivsten Industriestandorte, vor allem auch wegen der niedrigen Löhne. Besteht nicht die Gefahr, dass Lohnsteigerungen dies kaputt machen? 
Da mache ich mir keine Sorgen. Die Lohnsteigerungen werden sich im Rahmen halten. In der ökonomischen Literatur findet man keine sehr großen Beschäftigungsverluste durch steigende Löhne. Wenn nur einzelne Werke die Löhne anheben, kann das allerdings für den jeweiligen Hersteller durchaus nachteilig sein. Wenn die Gewerkschaft das aber flächendeckend durchsetzt, sehe ich keine größeren Probleme für die Autohersteller. Im Gegenteil, steigende Löhne und bessere Arbeitsbedingungen können den Unternehmen helfen, bessere Mitarbeiter zu gewinnen. Das könnte die Autoindustrie im Süden der USA insgesamt stärken. Langfristig könnten die Autos für die Kunden allerdings etwas teurer werden. 

Hilft es dem Hochlohnland Deutschland, wenn die Produktionskosten in USA steigen?
Es kann sein, dass Deutschland im Vergleich zumindest weniger schlecht dasteht. 

Beitrag im Voraus zahlen Mit dieser Strategie sparen Gutverdiener mit der Krankenversicherung Steuern

Vor allem bei hohem Einkommen kann es sehr lohnend sein, Krankenversicherungsbeiträge für bis zu drei Jahre im Voraus zu zahlen. Es winkt ein Steuervorteil von teils mehreren tausend Euro.

Rolf-Dieter Neuendorf Zwei Mittelständler gingen insolvent, nachdem sie sich auf diesen Investor einließen

Investor, Baulöwe, Waffendealer: Rolf-Dieter Neuendorf gibt den Alleskönner. Wer genauer hinschaut, entdeckt viele Luftnummern – und ruinierte Unternehmen.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt vom Goldverkauf etwas mit?

Können Privatanleger ihr Gold auch steuerfrei verkaufen, wenn es keinen Nachweis zum Kauf gibt? Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen? Das rät ein Experte.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Gibt es in USA generell einen Trend hin zu sozialen Elementen der Marktwirtschaft, weg vom reinen Kapitalismus? 
Es gibt in bestimmten Branchen diese Entwicklung, aber nicht in allen. Das kann dazu führen, dass wir eine noch stärkere Polarisierung der Arbeitswelt sehen. Einerseits Unternehmen, etwa in der Industrie, mit sehr guten Jobs. Andererseits Bereiche, etwa bei den Dienstleistungen, in denen Menschen kaum soziale Leistungen und Absicherung haben und drei Jobs brauchen, um über die Runden zu kommen. 

Lesen Sie auchOperation US-Comeback bei Volkswagen

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%