Cannabis-Legalisierung Mitgliedsausweis und Schichtpläne: So funktionieren die Cannabis Clubs

Cannabis Clubs sind für die Ausgabestellen selbst verantwortlich. Dort darf nur eigens geerntetes Marihuana verteilt werden. Quelle: imago images

Cannabis Clubs spielen eine große Rolle bei der Legalisierung von Marihuana. Deutschlandweit finden sich Dutzende solcher Vereine für Konsumenten – mit Aufnahmeverfahren, Mitgliedsbeiträgen und Clubhäusern.

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„Flower to the people“ und „Willkommen im Club“ steht auf einem riesigen orangefarbenen Werbeposter im Berliner Bezirk Friedrichshain. Mehrere Häuserwände hat ein Cannabis Club namens „Blütezeit“ in der Hauptstadt plakatiert. Dahinter stecken zwei Unternehmer und ein Investor aus der Start-up-Szene. „Blütezeit“ sucht nach neuen Mitgliedern. Aber nicht zum Tanzen, sondern zum Cannabis konsumieren.

In den letzten Monaten haben sich zahlreiche solcher sogenannten Cannabis Clubs in Deutschland gebildet. Diese Vereine dürfen ab Sommer legal Cannabis an ihre Mitglieder ausgeben. So sieht es das neue Gesetz vor, das nach jahrelangen Streitigkeiten am 1. April in Kraft tritt. Das Cannabisgesetz erlaubt den Eigenanbau zuhause und den Konsum in der Öffentlichkeit. Wer in den eigenen vier Wänden keinen Hanf anpflanzen, aber trotzdem rauchen möchte, für den sind die Cannabis Social Clubs. Das Konzept geht auf eine europäische NGO zurück und wird in anderen Ländern ebenfalls umgesetzt. Die Bundesregierung bezeichnet die Strukturen schlicht Anbauvereinigungen.

Eine Projektgruppe des Berliner Hanfmuseums listet rund 170 eingetragene Cannabis Social Clubs auf ihrer Webseite. Die Gemeinschaften sind über alle Bundesländer verteilt. Im Prinzip kann jeder einen solchen Club gründen, indem er einen Verein registriert. Vermutlich wird sich die Anzahl der Vereine also vergrößern. Auch, weil die Nachfrage vielerorts höher als die von der Regierung erlaubte Mitgliederzahl ist.

Ein Club darf nur 500 Personen aufnehmen. Und das wird zum Problem für viele lokale Netzwerke. Der Cannabis Social Club Berlin beispielsweise hatte diese Ziffer schon erreicht, da war das Gesetz nicht einmal beschlossen. Aktuell zähle die Vereinigung 6000 Anmeldungen, sagt Vorsitzender Torsten Dietrich, langjähriger Hanfaktivist. Allein 1000 Neuanmeldungen seien es am vorigen Wochenende gewesen. Der Münchner Verein CSC Greeners hat eigenen Angaben zufolge bisher 1200 Anfragen auf dem Tisch. Mit dieser Flut an Cannabis-Interessierten gehen die Anbauvereinigungen unterschiedlich um.

Zwischen Assessment-Center und Kleingartenverein

Der Berliner Club nehme alle Mitglieder auf, sagt Dietrich – einen Alterscheck vorausgesetzt. Die Personen füllen ein Formular aus, geben ihre gewünschte monatliche Cannabismenge an. Das war's. Gesetzlich erlaubt sind maximal 50 Gramm pro Monat. Voriges Jahr habe der Vereinsvorsitzende mit höchstens 2000 Mitgliedern gerechnet. Er sei überrascht von der hohen Nachfrage. Nun wolle man die Masse in lokale Anbaugemeinschaften einsortieren, zwölf neue Vereine gründen. Der Cannabis Social Club Berlin diene dann als eine Art Dachvereinigung.

In München wird hingegen aussortiert. „Jedes potenzielle Mitglied wird im Vorfeld sorgfältig geprüft“, heißt es vom Verein. Der 29-jährige Luca Bartosch, einer der stellvertretenden Vorsitzenden und von Beruf Headhunter, erklärt es so: „Feste Kriterien gibt es nicht. Wir legen aber auf ein ausgefallenes und ehrliches Bewerbungsschreiben Wert, die Person sollte möglichst im Münchner Westen oder Zentrum wohnen und wichtig für uns ist, dass der berufliche Werdegang durch beispielsweise Linkedin nachvollziehbar ist.“ Mit jedem potenziellen neuen Mitglied führe der Vorstand ein persönliches Gespräch.

Die Idee hinter Greeners ist kein anonymes Netzwerk aufgeteilt in Anbaugemeinschaften, sondern eine Gemeinschaft, in der sich die Mitglieder idealerweise persönlich kennen und eine Vereinskultur aufbauen. Rund 220 Personen haben die Münchner daher bislang erst zugelassen. Noch etwas macht Greeners anders: Während die Bundesregierung ein Mindestalter von 18 Jahren festgelegt hat, müssen alle Mitglieder des Vereins 25 Jahre alt sein. „Unser Fokus liegt auf berufstätigen Erwachsenen“, sagt Bartosch. Und: „Nicht zuletzt befinden wir uns in Bayern und möchten so wenig Konflikte wie möglich mit den Behörden haben.“

Mitgliedsbeiträge ab einem Euro pro Monat

Die Idee solcher Clubs ist es, den Schwarzmarkt zu bekämpfen und sauberes Marihuana auszugeben. Der Berliner Aktivist Dietrich glaubt, dass die Preise zu Beginn ähnlich hoch, langfristig aber günstiger sein werden. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge legen die Vereine selbst fest. Einige verlangen lediglich eine Grundgebühr für Verwaltung und Buchhaltung. Die Mitgliedschaft erlaubt den Personen dann, Cannabis zum Selbstkostenpreis zu beziehen. Im Münchner Greeners Club zahlen die Mitglieder derzeit 160 Euro pro Jahr, in Krefeld 60 Euro. Die genauen Kosten für die Abgabe werden in den Gemeinschaften noch diskutiert. Die meisten rechnen mit rund sieben Euro pro Gramm.

Die Clubs können aber auch eine monatliche Pauschale abhängig von der gewünschten Cannabismenge beschließen. So ein Modell plant der Berliner Cannabis Club. Dort zahlt man derzeit zwölf Euro für ein Jahr. Sobald das Cannabis reif ist, wolle der Verein eine Staffelung nach Gramm einführen. Für 50 Gramm jeden Monat könnte der Verein etwa 120 Euro Monatsbeitrag verlangen.

Da die Clubs als Vereine eingetragen sind, dürfen sie kein wirtschaftliches Ziel verfolgen. Sie dürfen zwar Gewinne erzielen, damit sollen aber Logistik, Miete, Versicherungen und andere Fixkosten getilgt werden. „Wir wollen uns ja nicht an unseren Mitgliedern bereichern“, sagt der Berliner Torsten Dietrich.

1,6 Millionen Euro für Cannabis-Farm

In den ersten Monaten passiert in den Cannabis Clubs noch nicht viel. Denn erst ab dem 1. Juli dürfen die Vorsitzenden den Eigenanbau beantragen. Wenn die zuständigen Behörden grünes Licht geben, dürfen die Farmen in Betrieb genommen werden. Da die Cannabis Clubs nicht zum kommerziellen Zweck dienen, ist ein Weiterverkauf von Cannabis anderer Hersteller verboten. Mitglieder bekommen in den Vereinen nur das Cannabis, was diese selbst ernten. Und das wird dauern.

In München wolle man im Oktober starten. Der Greenery Club hat eine Lagerhalle mit 500 Quadratmetern gefunden, die nun umgebaut wird. In Berlin ist man weniger optimistisch: „Wir rechnen damit, dass wir Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres mit der Ernte beginnen werden“, sagt Vorsitzender Dietrich mit Blick auf die langen Bearbeitungszeiten der Behörden. Der Verein hat bereits ein Gelände im Bezirk Marzahn gefunden. Die Kosten für den Umbau und die Inbetriebnahme beziffert der Vorsitzende auf 1,6 Millionen Euro.

Nur: Die Menge, die dort wachsen soll, war für 1000 Konsumenten gedacht. Nun braucht die Dachvereinigung weitere Standorte für mehr Farmen. „Wir rechnen damit, dass der monatliche Bedarf aller Berliner Clubs bei einer Tonne Cannabis liegt – eher mehr“, sagt Dietrich. Neben dem Cannabis Social Club Berlin gibt es noch weitere eingetragene Vereine. Mehr als 20 sind es in der Hauptstadt. Hanfaktivist Dietrich geht davon aus, dass jeder Konsument im Schnitt 20 Gramm benötigt.

Türöffnung per App und Schichtpläne

Das Marihuana erhalten die Mitglieder in ihren jeweiligen Vereinsräumen. Die Idee der Cannabis Social Clubs ist es, ihre Abgabestellen ähnlich zu einem Clubhaus einzurichten. Einige geben Mitgliedsausweise heraus, andere regeln die Aktivitäten über eine App. Die soll gleichzeitig für die Kommunikation dienen. In Berlin wolle man beispielsweise im ersten Schritt ein Clubhaus am Zoologischen Garten und einen weiteren am Alexanderplatz eröffnen. In anderen Städten liegen diese meist zentral.

Torsten Dietrich, Vorsitzender des Berliner Social Clubs erklärt das Design seiner Vereinsräume wie folgt: An der Eingangstür befindet sich ein Scangerät, das den Code aus der App liest. Im ersten Raum befindet sich ein Tresen, dort werden die Personalien überprüft. So gehe man sicher, dass der Code nicht weitergegeben wird. Danach öffnet sich eine zweite Tür mit einem weiteren Tresen. In diesem Raum wird dann das Cannabis verteilt. Rauchen darf man dort aber nicht, das schreibt es das Gesetz vor.

Organisieren müssen sich die jeweiligen Anbaugemeinschaften in Eigenverwaltung. Heißt: Die Mitglieder stellen sich hinter die Tresen, leisten Aufklärungsarbeit, verwalten Budget, ernten Cannabis und schreiben Schichtpläne. Wie in einem Angelverein oder Fußballclub. In Berlin hätten sich bereits viele Personen freiwillig dafür gemeldet, sagt Dietrich – überwiegend Studenten und Menschen im Freiwilligen Sozialen Jahr.

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In München wolle man zudem Ausflüge für die Mitglieder organisieren und Events veranstalten. Cannabis Social Clubs werden vielerorts zu einer Lifestyle-Marke. Der Verein Blütezeit aus Berlin etwa ist gerade dabei, Merchandise zu produzieren: Shirts, Jutebeutel und Caps mit orangefarbenen Slogans. Kiffen mit Branding.

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