Editorial
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Nicht das schwache Wachstum ist peinlich, Herr Lindner

Quelle: Jann Höfer für WirtschaftsWoche
Horst von Buttlar Chefredakteur WirtschaftsWoche

Ist das schwächelnde Wachstum Deutschlands „peinlich“, wie Finanzminister Lindner es nennt? Mitnichten! Peinlich ist eher die politische Führung. Ein Kommentar.

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Ist das Miniwachstum, das uns 2024 erwartet „dramatisch schlecht“ (Habeck)? Oder ist es „peinlich“ (Lindner)? Nun, vom Wording wäre ich ausnahmsweise im Team Habeck. 0,2 statt 1,3 Prozent – und vor allem: mittelfristig nur 0,5 Prozent. Das ist dramatisch.

Es ist aber mitnichten peinlich, dass unsere Unternehmen nicht so viel produzieren und exportieren, wie sie vielleicht wollen. Dass sie nicht so viel investieren, Standorte verlagern, dass die Menschen nicht so viel Geld ausgeben. Viele verhalten sich rational, angesichts der Unsicherheit, des Stillstands.

Peinlich ist eher die politische Führung: Das einzig geräuschlose Projekt, das die Ampel in jüngster Zeit hinbekommen hat, ist die Legalisierung von Cannabis. Ein Projekt, das das Volk derzeit so berührt wie mögliches Leben in einer fernen Galaxie.

Bei den Reformdiskussionen vor über 20 Jahren, an die nun oft erinnert wird, hieß es oft: Wir haben kein Erkenntnisproblem, es wird nur nicht umgesetzt. Heute haben wir an manchen Stellen auch noch ein Erkenntnisproblem: Einig ist sich die Regierung nur über die Schwäche des Standorts, doch dann trennen sich die Welten. Weil lange geleugnet wurde, dass diese Krise tiefer geht, dass man umsteuern muss, dass der Ampelplan von 2021 nicht aufgeht.

Robert Habeck möchte nun eine „transformative Angebotspolitik“, was bedeutet: Der Staat steuert Unternehmen gezielt durch die (grüne) Transformation, durch Zuschüsse, Steuerrabatte und Förderung von neuer Technologie. Christian Lindner will klassische Angebotspolitik: niedrigere Steuern, weniger Bürokratie (aber keine neuen Schulden).

Im Hintergrund zaudert ein Kanzler, der zwar nicht mehr das Land in einem monotonen Singsang schönredet. Aber er fügt nicht das, was nicht zusammenpasst, zu einer neuen Strategie. Dabei wäre es Zeit für den „Nokia-Moment“ (2011 erklärte der CEO der Belegschaft, dass man auf einer „brennenden Plattform“ steht: Entweder man verbrennt oder springt ins kalte Wasser).

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Offenbar hat der Streit am Jahresende, der sich seitdem zieht, für so viel Unsicherheit gesorgt, dass die anderthalb Monate dieses Jahres verloren sind. Das Jahr fühlt sich derzeit an, als seien wir in der zweiten Januarwoche. Die Regierung muss endlich etwas tun, das schnell und gezielt wirkt – neben den Gesetzen zur Planungsbeschleunigung et cetera, die hoffentlich in zwei oder drei Jahren ihre Wirkung entfalten.

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