Weltwirtschaftsforum 2024 Die Welt ist ein kalter Ort

Mächtigentreffen in Davos: In den Schweizer Bergen beginnt am Montag das 54. Weltwirtschaftsforum Weltwirtschaftsforum. Quelle: imago images

Auf dem Weltwirtschaftsforum beleuchten Spitzenpolitiker und globale Top-CEOs in diesem Jahr eine ziemlich düstere Weltlage. Drei Probleme, die Davos besonders prägen werden.

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Rebuilding trust – Vertrauen wiederherstellen – haben die Organisatoren des Weltwirtschaftsforums in diesem Jahr als Überschrift gewählt. Dabei ist Vertrauen gar nicht einmal die einzige Ressource, die in diesen Tagen spärlich gesät ist. Optimismus und Zuversicht, Fortschrittshunger und Zukunftslust haben allesamt gelitten in diesen Zwanzigerjahren. Angefangen bei der Pandemie, der Kriege in der Ukraine und nun im Nahen Osten folgten, bis hin zu Inflation oder den Spannungen um China und Taiwan hagelte es Einschläge – vom Ausgang der kommenden US-Wahl ganz zu schweigen.

Insbesondere aus der Perspektive des Westens, dessen Vertreterinnen und Vertreter in Davos immer noch die Mehrheit stellen, ist die Welt mittlerweile ein ziemlich verschatteter Ort. Kriege, Konflikte, eine schwächelnde Globalisierung und Rezessionsdellen sind das eine. Zweifel an der Resilienz und Binnenstärke der Demokratien das andere. Wenn der Gipfel der politischen und ökonomischen Elite der Welt einmal mehr morgen in den Schweizer Bergen beginnt, türmen sich die Sorgen. 

„Die Welt ist flach“, diesen Satz hat der Publizist Thomas Friedman vor bald zwanzig Jahren geprägt. Dank Globalisierung und Digitalisierung rückten Länder, Gesellschaften und Volkswirtschaften immer näher zusammen. Stimmt wohl, nur dass die flache Welt heute in Windeseile auch Konflikte und Probleme in jeden Winkel der Erde trägt. Inseln der Seligen und Refugien der Unbehelligtem gibt es nicht mehr.

Die meisten Menschen auf der Welt haben zuletzt harte Zeiten erlebt. Die Reichen dagegen sind laut Oxfam die großen Gewinner der Krisenjahre. Die fünf reichsten Männer konnten ihr Vermögen sogar verdoppeln.

Eine Wahl wie jene am Wochenende in Taiwan geht nicht nur Pekings Kader etwas an, sondern den US-Präsidenten genauso wie deutsche Mittelständler, die Chipmaschinen-Ausrüstung anbieten. Mangelnder Klimaschutz bedroht schon heute direkt Existenzen im Pazifik, ja ganze Länder. Und nehmen wir die die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten: sie birgt nicht nur die Gefahr eines Flächenbrandes in der Region, sie bringt im Hier und Jetzt schon Lieferketten zu Bersten und Fabrikbänder zu Stillstand. 

Vertrauen wiederherstellen? Bitter nötig also, zuallererst das Vertrauen darin, dass Zukunft wieder etwas sein kann, dem man gerne entgegensieht.

Der kranke Mann: Wo ist Scholz?

Die Geschichte des Bundeskanzlers in Davos besitzt die Form eines Abstiegs. Bei seinem ersten Auftritt, pandemiebedingt verschoben in den Mai 2022, erlebte man einen frisch gebackenen Kanzler, der erst wenige Monate zuvor die Zeitenwende ausgerufen hatte und eine Art multipolares Glaubensbekenntnis ablegte. 

Scholz drückten die Probleme schon schwer, zugleich aber hatte er seine erste schwere außenpolitische Krise im Amt innenpolitisch souverän gelöst, mit einer verteidigungspolitischen Wende, die finanzielle Wucht besaß, geopolitisch überfällig war und kommunikativ klar umrissen.

Ein Jahr später dann war schon ein anderer Kanzler zu besichtigen; einer, der Zweifel am Standort Deutschland und seiner Energiepolitik ausräumen, Investoren überzeugen und die Bundesrepublik als immer noch starkes Land positionieren wollte. Der Auftritt kam eher mäßig an.

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In diesem Jahr nun kommt Scholz gar nicht erst. Ja, Robert Habeck ist ebenso vor Ort wie Christian Lindner und Annalena Baerbock, die deutsche Regierung also durchaus sehr präsent. Aber der Kanzler eben nicht. So läuft es gerade oft für ihn: die Optik ist schlecht. 

In Berlin reiht die Ampel eine Zerreißprobe an die nächste. Deutschland läuft ins zweite Rezessionsjahr hinein. Die Sat des Populismus geht vielerorts auf. Und gerade in Europa müsste die Bundesregierung mit Blick auf die Verteidigung der Ukraine und eine ökonomische Renaissance alle Kräfte beisammenhaben. Hat sie aber nicht. Die Ampel wirkt, als habe sie nicht zwei, sondern zwölf Jahre hinter sich. 

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Der Fairness halber sei gesagt: Dass Deutschland gerade kein Hort der Stabilität bildet, ist nur zum Teil Scholz und seiner Regierung anzulasten. So wie Angela Merkel einst Gerhard Schröders Agenda-Dividende einstrich, muss Scholz an vielen Stellen nun Merkels Politikschulden der ruhigen Hand begleichen – von der Bundeswehr bis zur Digitalisierung und mangelnder Investitionen.

Umso wichtiger wäre ein Regierungschef, der Zuversicht und Tatendrang versprühte, Sicherheit in Zeiten größter Verunsicherung ausstrahlte. Der Europa geopolitisch führte und ordnete. Scholz ist so ein Kanzler (noch) nicht (wieder).

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Jedenfalls jetzt nicht. Und wie sehr ein glanzvoller Auftritt vor einem Publikum wie in Davos das Bild eines Landes prägen und in Folge zu einer Art selbst erfüllenden Prophezeiung werden kann, hat ein gewisser Emmanuel Macron dort schon mehrfach zu Genüge gezeigt. Ein Macron ist Scholz aber ebenfalls nicht.

Die zerrüttete Welt: So bedroht ist der Welthandel

Noch laufen die Bänder in Grünheide – doch ab dem 29. Januar ist für zwei Wochen Pause bei der Tesla-Produktion. Bauteile fehlen, weil viele Handelsschiffe wegen der Angriffe jemenitischer Huthi-Rebellen im Roten Meer einen Umweg fahren müssen. Davon ist nicht nur der amerikanische E-Autobauer betroffen, sondern auch chinesische Autobauer Geely und der Möbelkonzern Ikea haben bereits vor möglichen Verzögerungen bei Lieferungen gewarnt. 

Im neuen „Global Risk Report 2024“, der im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht wurde, warnen Risikoexpertinnen und -experten bereits vor einer Welt, die weiter zerfällt. Bewaffnete zwischenstaatliche Konflikte gehören demnach zu den fünf größten Risiken für die nächsten zwei Jahre – denn wie sehr sie den Welthandel und damit Wachstum und Wohlstand bedrohen, wird aktuell mit den Angriffen im Roten Meer deutlich.   

So ist die Menge an Containern, die im Roten Meer transportiert werden, um mehr als die Hälfte eingebrochen, aktuell liegt sie fast 70 Prozent unter dem eigentlich zu erwartenden Aufkommen, zeigt der Kiel Trade Indicator, eine Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

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Pro Tag werden jetzt demnach nur noch rund 200.000 Container durch das Rote Meer transportiert, im November waren es rund 500.000. Die Umleitung um das Kap der Guten Hoffnung in Afrika führt dazu, dass die Waren zwischen den Werken in Asien und den Verbrauchern in Europa bis zu 20 Tage länger unterwegs sind, so Julian Hinz, Direktor des Forschungszentrums Handelspolitik und Leiter des Kiel Trade Indicators. Viele Waren seien deshalb immer noch auf See unterwegs und nicht in den Häfen gelöscht worden – das spiegelt sich in der Handelsbilanz wider. 

So ist der Welthandel von November auf Dezember 2023 um 1,3 Prozent preis- und saisonbereinigt geschrumpft, wie der Kieler Indikator zeigt. Die EU liege klar im roten Bereich bei den Exporten (-2,0 Prozent) und Importen (-3,1 Prozent) – das gilt auch für Deutschland: Exporte (-1,9 Prozent) und Importe (-1,8 Prozent) gingen hier im Monatsvergleich abermals zurück.

Auch in den USA war die Entwicklung im Dezember negativ bei den Exporten (-1,5 Prozent) und Importen (-1,0 Prozent), wobei der Seeweg durch das Rote Meer und den Suezkanal dort eine geringere Rolle spiele als für Europa, heißt es beim IfW. Mit dem Inflation Reduction Act hatte US-Präsident Joe Biden 2022 ein milliardenschweres Subventionsprogramm aufgelegt und damit auch deutsche Firmen über den Atlantik gelockt. Trotz der jüngsten Delle wächst die US-Wirtschaft dank Bidenomics – allerdings an der Realität vieler Amerikaner vorbei. Was also passiert nach dem 5. November? 

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Ob und wie die Weltwirtschaft auf eine Wiederwahl von Trump vorbereitet ist, dürfte zu den meistdiskutierten Fragen in Davos werden. Schließlich will der Republikaner in einer immer wahrscheinlicher werdenden zweiten Amtszeit nicht nur die USA umbauen, sondern er stellt auch die globale und transatlantische Sicherheitsarchitektur infrage, die Institutionen der Nachkriegsordnung (UN, Weltbank, IWF) und das Welthandelssystem – und speziell der Handelsstreit mit China dürfte sich unter Trump 2.0 wohl weiter verschärfen.   

Allerdings hat sich der Handel in der Volksrepublik zumindest im Dezember besser als in den USA entwickelt: die Exporte (+1,3 Prozent) und Importe (+3,1 Prozent) sind laut IfW gestiegen. Ein Grund dafür dürfte demnach das bevorstehende chinesischen Neujahrsfest sein, das die Handelsumsätze nach oben treibe – insgesamt aber schwächelt Chinas Wirtschaft. 

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2023 gingen Chinas Importe um 0,3 Prozent zurück, die Exporte legten im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 0,6 Prozent zu. Eine schwache Binnennachfrage, eine hohe Jugendarbeitslosigkeit, die alternde Bevölkerung und die kriselnde Immobilienwirtschaft um Konzerne wie Evergrande und Country Garden belasten die Wirtschaft. „Recharging Growth in China“ – ob und wie Peking das gelingen wird, steht in Davos auf der Agenda. 

Derweil will die Bundesregierung der Beziehung mit ihrem wichtigsten Handelspartner zwar nicht den Stecker ziehen, doch Deutschland soll unabhängiger von China werden. Das soll auch dank neuer Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien sowie den Mercosur-Staaten gelingen – doch beide Verhandlungen stocken. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte erst vergangene Woche mit Argentiniens neuem Präsidenten Javier Milei über das Abkommen diskutiert. Beide sind sich wohl einig, dass das Abkommen zügig abgeschlossen werden soll. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dürfte in Davos ebenfalls das Gespräch mit Milei dazu suchen, auch die Inder sind mit einer großen Delegation vertreten – allerdings drängt die Zeit: am 9. Juni findet die Europawahl statt, dass die Abkommen vorher noch verabschiedet werden, wird immer unwahrscheinlicher.   



Die bedrängte Ukraine

Vor kurzem blitzte er dann doch einmal auf: ein entschlossener Olaf Scholz. Als der im Januar seine europäischen Amtskollegen abtelefoniert, ist seine Ungeduld spürbar: Spätestens zum Februar „brauchen wir einen möglichst präzisen Überblick“, sagt Scholz kurz nach den Telefonaten. Der Bundeskanzler wünscht sich eine Bestandsliste von jedem europäischen Partner, welche Waffen man noch an die Ukraine liefern könne. „So wichtig unser deutscher Beitrag ist, er wird allein nicht ausreichen, um die Sicherheit der Ukraine dauerhaft zu gewährleisten“, so Scholz ungewohnt deutlich in Richtung der Partnerländer.

Der Hintergrund dieser Mahnung ist klar: Deutschland gibt in der EU am meisten. Debatten wie die um Taurus-Marschflugkörper verdecken die Tatsachen: Bis Oktober 2023 schickte die Bundesrepublik allein rund 17,1 Milliarden Euro an militärischer Unterstützung in den Kampf gegen Russlands Invasion. Nur die USA half noch mehr. Und trotzdem droht die Lage zu kippen: Nicht nur haben die Republikaner in den USA das Thema Ukraine-Hilfe längst als Wahlkampfthema für sich entdeckt und blockieren zusätzliche Waffenpakete. Auch könnte der größte Partner mit einer Wiederwahl von Donald Trump im schlimmsten Fall bis Ende des Jahres ganz wegbrechen. 

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„Geben Sie der Russischen Föderation zwei bis drei Jahre Zeit, dann werden sie uns einfach überrennen“, warnte Wolodymyr Selenskyj jüngst bei einem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos wird er diese Aussage wiederholen und Druck machen – der ukrainische Präsident ist einer der wichtigsten Gäste in Davos.

Beiden ist klar: Uneinigkeit könnte den Krieg am Ende verlieren. Darauf setzt auch der russische Präsident. Seit Weihnachten überziehen die Truppen von Wladimir Putin ukrainische Städte mit schweren Bombardements – ihr Ziel ist vor allem die zivile Infrastruktur des Landes. Gleichzeitig baut Putin die russische Industrie zu einer Kriegswirtschaft um. Raubbau am eigenen Land mag wehtun, liefert am Ende aber immer Material und Munition. Die Truppen der Ukraine auf der anderen Seite leiden an latenter Munitionsarmut, weil aus dem Westen zu wenig kommt.

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